JUNGFRAU UND EROTIK

 
 
 
(Aus dem Buch: Persönliche Bestimmung im Horoskop entdecken, Brigitte Herbst, Chiron Verlag)
 
 
Die Psychologie der Jungfrau ist sehr komplex und nicht leicht zu erfassen, denn sie ist von einer starken Ambivalenz geprägt. Die tiefe Bedeutung der Jungfrau geht über die populäre Beschreibung (fanatische Sauberkeit, Ordnung, Pünktlichkeit, Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit, Sicherheitsstreben, Nörgelei, Kritik, usw.) hinaus, und ich denke, dass uns der Mythos von der Göttin Astraea (Ähre abgebildet) (oder Dike) und der Persephone Mythos die tiefere Bedeutung dieses Tierkreiszeichens versinnbildlichen können.
(…) Astraea hat den erdhaften, mondhaften, orgiastisch-lüsternen Anteil, der allen alten Mond- und Fruchtbarkeitsgöttinnen innewohnt, und zum Fluss des Lebens gehört, verdrängt – sie wollte nur die Heilige und Himmlische sein.
Die alten, jungfräulichen Mond- und Fruchtbarkeitsgöttinnen – beispielsweise Atarfatis und Artemis von Ephesus – waren selbst „Huren“, und in ihren Tempeln dienten Prostituierte, die die Gottheit verkörperten und den Gläubigen ihre göttliche Gunst zuteil werden ließen, wodurch sie diese in einen halbgöttlichen Status erhoben. In diesem Sinne repräsentiert die Prostituierte das gleiche wie die mythologische Jungfrau, denn sie ist das archetypische Bild der unverheirateten Frau, der freien Frau, die zunächst mit ihrem inneren Selbst vermählt wird und erst in zweiter Linie mit einem Mann – eine Frau oder ein Mann, die ihre eigene Identität haben. Die sogenannte „Hurerei“ der jungfräulichen Göttingen bedeutet nicht „sexuelle Verfügbarkeit“ für alle, denn sie geben sich nur jenen hin, die sie erregen – sie sind „Huren“ und „Jungfrauen“ zugleich, sie sind Liebesgöttinnen; ihr Wesen ist „eins-mit-sich-selbst-sein“.
 
(…) Die Ekstase (auf erotischer und spiritueller Ebene) gehört zum Jungfrauenprinzip; Sie vermittelt ein bereicherndes Empfinden von Vitalität und Sinnlichkeit des Körpers, aber auch spirituelle Erfahrungen. Leider wird dieser lüsterne, ekstatische Anteil der Jungfrau – wie bereits erwähnt – von vielen Jungfrau-Menschen wegen der herrschenden konventionellen Moralbegriffe meist nicht gelebt. Im Zustand der Ekstase verliert man die Kontrolle, und davor haben Jungfrau-Menschen eine schreckliche Angst.
Dieser (Persephone-)Mythos verdeutlicht uns auch das starke Band zwischen Mutter und Kind, das abgetrennt beziehungsweise gelockert werden muss, damit sich ein individuelles Leben entfalten kann. Obwohl Persephone immer wieder zu ihrer Mutter zurückkehrt, wird sie nie wieder dieselbe sein, denn nun ist sie Mutter und Gemahlin – sie wird jedoch immer noch als Jungfrau verehrt.
Am Beginn ihrer Reise leben die meisten Jungfrau-Geborenen (Frauen wie Männer) fast ausschließlich die klassische Jungfrau: Unschuld, Reinheit, Sauberkeit, Ordnung, Rationalität, Angst, Fehler zu machen – bis sie dann von einem kritischen Transit und/oder einer Progression unsanft aufgerüttelt und aufgefordert werden (oder ein entsprechender Aszendent dahingehend wirkt), von der hellen Oberfläche in die Tiefe zu steigen beziehungsweise auch ihrem ekstatischen Anteil Raum zu geben, das sogenannte Unmoralische – das dennoch sehr licht sein kann – zuzulassen und  EIN EIGENES INNERES MORALGEFÜHL (ethisch nach den Lebensgesetzen, nicht moralisch "aufgesetzt") zu entwickeln.
(…) Die mythologische Jungfrau ist eine einsame Gestalt; in erster Linie gehört sie sich selbst und das lässt sie im Wesentlichen allein sein. Jungfrau-Menschen wird manchmal Einsamkeit aufgezwungen, damit in der Stille die eigene Stimme hörbar wird.
(…) Schlüsselworte, die sich aus den betrachteten Bildern ergeben: Naturgesetze, Ernte, Ernährung, Gesundheit, Detail, Analyse, Sicherheitsstreben, Überprüfung, Kontrolle, Nörgelei, Kritik, Unschuld, Reinheit, Sauberkeit, Ordnung, Pünktlichkeit, pedantische Perfektion, Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit, Vorsicht, Anpassung an Umweltbedingungen (einschließlich an die konventionellen Moralbegriffe), Abscheu gegenüber Unordnung, Chaos und Verschwendung, Errichtung von Grenzen, Rituale, (gouvernantenhafte) Belehrung, Pädagogik, Lehre, Vernunft, Klugheit, orgiastische Lüsternheit, erotische und spirituelle Ekstase, inneres Moralgefühl, persönliche Integrität, Eins-mit-sich-selbst-sein.
 
 
(…) WIR KÖNNEN DAS KERNTHEMA DES ASZENDENTEN AUCH ALS WEGWEISER SEHEN, 
DER UNS ZUR SONNE -UNSEREM WESENSKERN - FÜHRT.
 
Astrid