TIERKREIS,  MYTHOS & IHRE PSYCHOLOGISCHE BOTSCHAFT

 
 
Die Archetypen des Tierkreises symbolisieren die „Möglichkeiten des Menschseins“. Die Planetenstellungen und Aspekte im Horoskop entsprechen unseren persönlichen Schwerpunkten innerhalb dieser Möglichkeiten. Gerade die Mythologien bieten eine unvergleichliche Quelle zum Verständnis, welche diese grundlegenden Möglichkeiten sind. In ihrer einfachen Bildsprache gelingt es ihnen, damals wie heute, komplexe psychologische Ausdrucksformen und Zusammenhänge aufzuzeigen.
 
Jene Zeichen, in denen sich unsere beiden Lichter Sonne (Aktiva, Identität, schöpferischer Bereich) und Mond (Passiva, emotionale Wirklichkeit) befinden, sowie der Aszendent (Ausdruck, Verhalten), prägen das Wesen eines Menschen insbesondere. Daher empfiehlt es sich, jene Mythos und deren psychologische Botschaften zu lesen, in dessen Zeichen sich die drei genannten Konstellationen im Radix beim Horoskopeigner befinden.
 
 
EINE REISE IN DIE WELT DER MYTHOLOGIE WIRD DAMIT EINE 
                                      REISE ZU SICH SELBST!
 
Viel Spaß dabei wünscht Ihnen,
Ihre Astrid*
                                    
 
DER WIDDER-MYTHOS / MARS
 
Jasons Überwindung des „gefährlichen Vaters“ auf dem Weg zum Goldenen Vlies
 
Jason, der rechtmäßige Thronerbe, wird von seinem Onkel aus der Heimat vertrieben und mit dem Tod bedroht. Der weise Kentaur Cheiron nimmt sich des verwaisten Knaben an, erzieht ihn und lehrt ihn schließlich das Kriegshandwerk. Erwachsen und voller Mut kehrt Jason zurück, um sein Recht zu fordern. Der verschlagene Onkel erkennt seine Forderung scheinbar an, schickt ihn aber zuerst auf die Suche nach dem Goldenen Vlies, in der Hoffnung, Jason werde dabei umkommen. Der junge Held aber sammelt nun die Argonauten um sich und beginnt seine gefahrvolle Abenteuerreise. Mit Hilfe der Magierin Medea erschlägt er schließlich den das Vlies bewachenden Drachen und bringt die wundervolle Siegestrophäe in die Heimat zurück, wo er seinen verräterischen Onkel entmachtet.
Ödipus, als der ungestüme rothaarige Kämpfer, der Kampf und Tod über seine Familie bringt, lebt ebenfalls den Widdermythos; auch wenn der nach ihm benannte Komplex eher ein Krebsthema darstellt.
 
In einer weiteren Version der griechischen Sage wo ebenfalls ein Widder auftaucht, sandte die Wolkengöttin Nephele ihn ihren Kindern Phrixos und Helle zu Hilfe, um sie vor ihrem Vater und der Stiefmutter zu retten. Der Widder trug die Bedrohten durch die Luft, und einer von ihnen, Phrixos, gelangte sicher ans Ufer des Schwarzen Meeres, wo er den Widder opferte und sein Fell, das Goldene Vlies, im heiligen Hain des Kriegsgottes Ares aufhängen ließ. Seit dieser Zeit sollen diesem Fell magische Kräfte anhaften.
 
Psychologische Botschaft: Schon im Altertum brachte man Mars wegen seines rötlichen Aussehens mit Krieg und Feuerbrünsten in Verbindung. Die Griechen sahen in dem Planten eine Verkörperung ihres Kriegsgottes Ares, der – ganz in Waffen gehüllt – mit seinen beiden unzertrennlichen Begleitern Furcht (sein Mond Phobos) und Schrecken (sein Mond Deimos) die Länder mit Tod und Verwüstung verheere. Auch in dem Wort „martrialisch“ für „kriegerisch, wild“ lebt noch der vermeintliche Charakter des Gottes weiter. Romulus und Remus, die Gründer Roms, galten als seine leiblichen Söhne. Gewalttätig und jähzornig wie sein Vater, erschlug Romulus seinen Bruder Remus.
Hinter Mars stecken allerdings nicht nur bedrohliche Eigenschaften: So sorgt er zum Beispiel für zündende Ideen, verleiht Startkraft und schenkt Courage. Mars sorgt für den richtigen Biss, um sich behaupten und Rivalen vertreiben zu können. Er verleiht die für das Konkurrenzgerangel unerlässlichen spitzen Ellbogen und programmiert auf Sieg. Mars steht auch einfach für Sex, Potenz und Triebkraft. Jeder widderbetonte Mensch trägt dieses und ähnliche Bilder des niederreißenden Widders, des Goldenen Vlieses und des Planeten-Gottes Ares/Mars in sich. In seiner erlösten Form wird der Widder zum „heiligen Krieger“. Ein Krieger sein – dieses Bild bedarf einer besonderen Interpretation. Normalerweise verbindet man mit „Krieger“ schreckliche Geschehnisse, schwer bewaffnete Männer (und Frauen), die – einem Befehl folgend – töten, foltern, vergewaltigen, enteignen, vertreiben, zerstören, vernichten. Das mögen durchaus auch unerlöste Anteile dieser Widderenergie sein. Aber mit einem bewussten und wissenden Umgang hat dies alles nichts zu tun. Ein Krieger zu sein bedeutet Geburt, heißt Leben. Mit ihm beginnt alles. Er verkörpert den Anfang, die Initiative. Daher ist nichts, aber auch gar nichts mehr mit Zerstörung, Verletzung oder gar Tod verbunden. Im Gegenteil. Ein Krieger bereitet das Leben vor. Die höchste Vollendung eines Kriegers besteht darin, alles aus dem Bewusstsein heraus zu tun, beim Punkt null zu beginnen. Nichts war schon einmal. Alles ist neu. Der Atem. Das Öffnen der Augen. Das Gehen. Und mit jedem tun beginnt das Leben neu. Ein widderbetonter Mensch wird sein ganzes Leben lang immer wieder neu geboren. Alles, was ihm im Leben widerfährt, zählt als Herausforderung. Ist es ein Hindernis? Dann wird er sich so lange beschäftigen, bis er den Weg gefunden hat, es zu besiegen oder aufzulösen, und er wird versuchen, es in Stärke zu verwandeln. Aus einem Feind wird ein Freund, seine Unterstützung. Und wer auf diese Weise zum Freund wurde, dem gilt seine ganze Achtung. Er ist für dessen Wohlergehen verantwortlich, denn dessen Wohlergehen ist auch das seinige. Ein Krieger hat nur Freunde, und Feinde, die seine Freunde werden sollen. Dazu gehört alles, was vor ihm liegt, sein ganzes zukünftiges Leben. Stehen bleiben, nicht weitergehen, das existiert nicht in seinem Lebensrepertoire. Umwege sind denkbar und Pausen, aber der eigentliche Weg wird nie aus den Augen verloren. Wenn der Tod irgendwann kommt, wird er auch diesem Faktum als Krieger begegnen – er hat seinen letzten großen Kampf vor sich. Er wird es nehmen wie alles ihm Leben: offen, bereit, Neues zu erfahren - und weitergehen. Denn er weiß, es gibt immer wieder einen Anfang. Und wenn wir von dieser Welt gehen, ist das der letzte neue Anfang.
 
 
DER STIER-MYTHOS / VENUS
 
Theseus, der Überwinder von Gier und Habsucht, Besieger des Minotaurus
 
Minos war der Spross aus der Verbindung von Europa mit dem in einen weißen Stier verwandelten Zeus. Er hatte mit Hilfe der magischen Erscheinung eines von Poseidon gesandten Stieres den Thron errungen, aber gleich anschließend den Meeresgott um das versprochene Opfer des betreffenden Stieres betrogen. Ob dieser Missachtung erzürnt, ließ Poseidon des Minos’ Weib in Liebe zu dem Stier entbrennen. Aus dieser Verbindung entsteht der Minotaurus, jenes grauenerregende Mischwesen aus Mensch und Stier, dessen Gier nur mit Fleisch von Jungfrauen und Jünglingen zu besänftigen ist. Theseus, ein Sohn des mit dem Stier so eng verbundenen Poseidon,muss nun ins Zentrum des Dädalus erbauten Labyrinths vordringen und jenes dunkle Stiersymbol besiegen, dessen helle Variante er selbst repräsentiert.
Auch Mitrs, der Erlöser der persischen Religion, gilt als der Überwinder des Stieres.
 
Psychologische Botschaft: Aphrodite (das griechische Vorbild für die Venus) trug den Beinamen „Schaumgekrönte“, ihrer Geburt aus dem Schaum des Meeres wegen. Sie wurde verehrt als Göttin der Fruchtbarkeit, einer überbordenden Frühlingslust. Sie galt als Beschützerin der Gärten, Blumen und Lusthaine. Ihre Lieblingsgewächse waren Myrten, Rosen und Lilien, ihre Frucht der Apfel, ihre bevorzugten Tiere Widder, Böcke, Hasen, Tauben und die bunten Schmetterlinge. Vor allem war aber Aphrodite-Venus eine Frau, deren unvergleichliche Schönheit die Männer betörte. Man fand kein Ende, ihre Reize aufzuzählen: göttlicher Wuchs, strahlende Augen, verlockender Blick, rosenknospiger Mund, zierliche Ohren, reizender Busen … Im Vergleich zu ihr sah ihr Ehemann Hephaistos, der Schmied, ziemlich alt aus. Jeder fragte sich, wie diese Schönheit einem so grobschlächtigen Mann zugetan sein konnte – das tat wohl auch Aphrodite selbst. Sie nutzte jede Gelegenheit zu einem Seitensprung. Der berühmteste (und folgenreichste) war jener mit Ares (dem römischen Mars – Widder ist das Gegenzeichen von Waage), dem Eros (Amor), der listige Knabe mit den heimtückischen Liebespfeilen entstammte. Die schöne Venus bekam ein würdiges Denkmal am Himmel als hellster der Sterne, je nach Position der Feierabend (Abendstern) oder die nahende Morgenröte ankündigend (Morgenstern). Venus ist ein Synonym für Liebe, Lust, Zärtlichkeit, Leidenschaft, Zweisamkeit, Anziehung, Nähe, Knistern, Flirten, Sehnsucht, Verschmelzung, Sinnlichkeit. Jede Venusposition im Horoskop gibt eine andere Facette der Liebe, eine andere Färbung, ein bestimmtes Gewicht, einen spezifischen Glanz wieder. Wer durch eine Stiersonne, Aszendentenstier oder einen Stiermond stärker Stier-Venus betont ist, ist mit dieser herrlichen Venus des Morgens insbesondere verbunden, was vor allem die leibliche Lust weckt, also alles, was sich mit den fünf Sinnen erleben und genießen lässt. (Die Venus des Abends ist mit der Waage-Venus verbunden. Ihr sagt man eher die Gabe der Schönheit und geistigen Liebe nach. Dazu mehr im Abschnitt „Der Waage-Mythos/Venus“).
Die simple unerlöste Art, das Stier-Venus-Prinzip zu leben, besteht darin, wahllos alles zu begehren, was die Sinne reizt, gut riecht, gut schmeckt, schön aussieht, sich gut anfühlt, Entspannung und Befriedigung verspricht. Bis aus diesem „Alles soll mein sein!“ ein differenziertes Auswählen und kulturelles Schaffen – eine erlöste Form wird, braucht es Zeit. Zu schön ist die Welt und zu viel Lust wartet auf Befriedigung. Auch die ins Gegenteil gekehrte Form, die radikalen „Anti-Lust-Kuren“ wie z.B. Nahrungsverweigerung (Bulimie) gehört zu den unerlösten Stier-Venus-Prinzipien. Askese und Verzicht statt Lust und Fülle (eine häufige stierbetonte Reaktion auf emotionale Defizite). Widderbetonte Menschen sind Krieger, stierbetonte Menschen sind ebenfalls Kämpfer, aber keine Angreifer, Stürmer oder Eroberer, sondern ein Verteidiger. Sie reiten keine Attacken, sondern ziehen Zäune und Mauern um sich und ihr Eigentum. Ihre Aufgabe ist es, den Platz, den die Widder-Leute erobert haben, zu verteidigen und es sich innerhalb der Mauern bequem zu machen. Gemeinsam am Herd sitzen, zusammen essen, schlafen – und draußen tobt die feindliche Welt.
Darüber hinaus wird mit dem Element der Erde, der die Stier-Venus angehört, auch ein Geheimnis verknüpft. Durch die Jahrhunderte zog sich der Traum, unedle in edle Stoffe, Eisen zum Beispiel in Gold zu verwandeln. Diese Fähigkeit wurden den so genannten Alchemisten zugeschrieben, Gelehrten oder „Eingeweihten“, die ihr Wissen nur nach allerstrengsten Regeln weitergeben durften. Ob es diese Kunst je gegeben hat, lässt sich nicht endgültig entscheiden. Über jeden Zweifel erhaben ist aber ein alchemistisches Gesetz, das besagt, dass sich Materie verwandeln lässt. Man kann sie in einen höheren oder auch niedrigeren Zustand bringen. Die Natur macht es uns vor: Aus einem Samen kommt ein Spross, daraus wird ein stattlicher Baum, an dem irgendwann wohlschmeckende Früchte hängen. Wer mit einer Stierbetonung auf die Welt kommt, ist mit dieser natürlichen Alchemie gesegnet. Denn bei ihm wird das Element Erde durch Feuer der Inspiration (Stier-AC = Feuer, oder andere Feuerkonstellationen im Stierhoroskop) bereichert. Es sind Menschen mit dem „grünen Daumen“, der die Pflanzen in ihrer Nähe gedeihen lässt. Aber es „klappt“ nicht nur mit den Pflanzen. Unter ihrer Obhut und in ihrer Nähe wächst alles und kann sich in einen höheren Zustand transformieren, sich also veredeln. Häufig findet man unter ihnen auch gute Köche (ebenso wie unter den krebsbetonten Menschen). Wer aus einfachen Lebensmitteln was „Höheres“ schafft, indem er es versteht sie so zu vermischen (Alchemie), dass daraus ein hochwertiges Gericht entsteht, ist letztendlich ein kreativer Alchemist. Alles lässt sich im Sinne der Alchemie in einen höheren Zustand transformieren. Es ist eine Sache des Bewusstseins. Wenn man sich einmal darüber klar ist, dass man diese Gabe besitzt, geht man anders durchs Leben, nämlich in der Absicht, zu verschönern, alles sinnlicher, angenehmer, vollendeter werden zu lassen. (Auch im Prinzip der Jungfrau finden wir diese Gabe, auf ähnlichen und anderen Ebenen.) Am Anfang braucht ein Alchemist noch Zeiten des Rückzugs, um sich zu sammeln und seine eigene Sinnlichkeit abseits allen Getriebes zu trainieren. Aber mit der Zeit wird die ganze Welt sein Experimentierraum. Selbst seine Träume beginnen sich zu gestalten, bekommen intensivere Farben und erzählen von fernen Welten – dem Garten Eden oder dem Schlaraffenland. Ein Alchemist atmet etwas aus, das Verwandlung und Wachstum anregt, eine Kraft ähnlich einem warmen Regen im Frühjahr. Diese Energie geht auch auf andere Menschen über, weswegen ihre Nähe als sehr angenehm empfunden wird. Man fühlt sich wohl und innerlich reich. Auch dem Tod begegnet ein Alchemist mit dem Mut, ihn zu erhöhen. Er stirbt nicht in Umnachtung, bewusstlos, verkrampft. Er nimmt die letzte große Aufgabe seines Lebens an und schreitet anmutig hinüber in ein anderes.
 
 
DER ZWILLINGS-MYTHOS / MERKUR
 
Kastor und Pollux, die gegensätzlichen Zwillinge
 
Der Zwillinge-Mythos begegnet uns in den Mythologien fast aller Kulturen, Von Romulus und Remus bis zu den Asvins der indischen Überlieferung.
Das Dioskurenpaar der griechischen Tradition, Kastor und Pollux, entschlüpfte den Eiern, die Leda nach ihrer Verführung durch Zeus geboren hatte. Die beiden gegensätzlichen Jünglinge geraten bald in einen Kampf mit einem anderen Zwillingspaar, Idas und Lynkeus. Als der sterbliche Kastor dabei fällt, ist sein unsterblicher Bruder Pollux untröstlich. Bei aller Gegensätzlichkeit sind die beiden doch auch unzertrennlich. Schließlich erreicht Pollux bei Zeus, dass er einen Tag mit Kastor in der Unterwelt verbringen und ihn am darauffolgenden Tag mit sich auf den Olymp nehmen darf. Seither wechseln die beiden zwischen Licht- und Schattenwelt (Olymp und Hades = göttliche und sterbliche Welt), beide somit verbindend.
 
Eine andere Version der Geschichte zu Kastor und Pollux lautet:
 
Eine der vielen Liebschaften des Zeus war Leda, die Gattin des Königs Tyndareos von Sparta. Der Götterfürst wählte einen raffinierten Weg, um sich der ihrem Manne ergebenen Leda zu nähern und hingeben zu können: Er verwandelte sich in einen Schwan. Arglos nahm Leda das Tier bei sich auf, nährte und liebkoste es, und als die Nacht kam, erschien es ihr eher wie ein Traum, dass sie sich mit dem Götterfürsten in Liebe vereinigte. Aber auch Tyndareos schlief in dieser Nacht mit ihr – und Leda wurde Mutter zweier Söhne: Pollux oder Polydeukes stammte von Zeus und war deshalb unsterblich, Kastor von Tyndareos und war somit wie alles Irdische zur Sterblichkeit verdammt. Kastor und Pollux, auch die „Dioskuren“ („Söhne des Zeus“) genannt, wurden zwei unzertrennliche Brüder, die im Leben viele Kämpfe gemeinsam überstanden. Als Kastor schließlich eines Tages umkam, war Pollux so verzweifelt, dass er seine Unsterblichkeit opfern wollte, um seinem Bruder in die Unterwelt folgen zu können. Diese große Geschwisterliebe berührte die Götter, und sie suchten nach einer Möglichkeit, die beiden Brüder wieder zu vereinen, ohne dass der eine, der Göttliche, der nun einmal zu ihnen auf den Olymp gehörte, immer in der Unterwelt verweilen müsste. Schließlich erlaubte Zeus die Teilung der Unsterblichkeit des Pollux: Zusammen verbrachten die Zwillinge von nun an ihre Tage abwechselnd im Olymp und im Hades. Aber auch dadurch, dass die Zwillinge ein Tierkreiszeichen und ein Sternbild wurden, ist ihnen ein gebührender Platz am Himmel zuteil geworden.
 
Psychologische Botschaft: Jedes menschliche Wesen trägt in sich einen Teil, der  seinem Bewusstsein bei seiner Geburt abhanden kam. Denn hier, in der realen Welt, herrscht das Prinzip der dualistischen Ausschließlichkeit. Wer zum Beispiel als Mann auf die Welt kommt, ist keine Frau, und umgekehrt ist eine Frau kein Mann. In der spirituellen Welt existiert eine solche Aufspaltung nicht. Dort sind Frau und Mann nicht getrennt, sondern vereint und ganz. Der Verlust der Ganzheit ist der Tribut, der für den Eintritt in die reale Welt, für die Menschwerdung gefordert wird. Im Grunde erinnert dieser verlorene Teil an den Himmel, der Mensch hat seinen göttlichen Teil – „seinen Pollux“ – verloren. Was nun geschieht, ist, dass man diesen Teil im Äußeren zu finden glaubt: Man fühlt sich einsam, wenn man nicht fündig ist, und wähnt sich im Himmel, wenn es endlich geschieht und sich vereint. Auf Dauer aber lässt sich das eigentliche Verlangen nach innerer Vollkommenheit im Äußeren nicht befriedigen – und man fühlt sich wieder allein. Die große Suche nach dem verborgenen göttlichen Teil ist zwar in jedes menschliche Sein gelegt, aber niemand lebt die Suche so intensiv wie die Seele die zwillingsbetont ist (durch eine Zwillingssonne, einen Zwillingsaszendenten oder Zwillingsmond). Niemand anderes fühlt sich ohne seinen „Zwillingsbruder“, seine „Zwillingsschwester“ so allein. Auf der Suche nach ihm oder ihr greifen sie nach allem, was die vermeintliche Leere ausfüllen könnte. An allererster Stelle stehen andere Menschen – Geliebte, Partner, Freunde. „Zur Not“ aber verbinden sie sich auch mit Dingen – Büchern, Musik, Kunst, Theater oder was immer. Mit der Zeit flechten sie ein Netz, das alles miteinander verknüpft. Auf ihrer Reise zum verlorenen Teil werden diese Menschen Meister der Kommunikation, Begegnung und Unterhaltung. Niemand sonst kann so schnell Kontakte herstellen, ist so talentiert darin, andere für sich zu gewinnen. Hinter der Lust der zwillingsbetonten Menschen am Begegnen, Informieren und Unterhalten steckt letztlich die Suche nach dem verlorenen Paradies. Das macht sie so glaubwürdig und erfolgreich. In aller Regel bleiben Zwillings-Erwachsene „Kinder/Jugendliche“, insofern, dass sie jede Gelegenheit nutzen, um ihrem Naturell zu frönen: Sie reden, unterhalten, informieren … Schwieriger wird es, wenn man älter und damit in aller Regel einsamer wird. Zunächst ist dazu allerdings zu sagen, dass zwillingsbetonte Menschen als letzte einsam werden, einfach deswegen, weil sie sich rechtzeitig mit genügend Kontakten „eindecken“. Dennoch hinterlassen die Jahre ihre Spuren. Dann kommt es darauf an, ob sie den Mythos von Kastor und Pollux verstanden und verinnerlicht haben, wissen – oder zumindest ahnen –, dass alles, was sie draußen suchen, eigentlich schon immer in ihnen selber ist, und das „allein sein“ auch „all-eins sein“ bedeutet. Dann bringt das Alter Schönheit und tiefe Befriedigung.
 
Der Merkur-Mythos:
 
Der römische Gott Merkur entspricht ganz dem Hermes der griechischen Mythologie, diesem schillernden, mit zahlreichen Eigenschaften und Funktionen ausgestatteten Gott. Respekt und Bewunderung erwarb er sich durch Klugheit und Raffinesse. So stahl er – gerade erst als Sohn des Zeus und der Nymphe Maia geboren – dem Gott Apoll fünfzig Rinder. Von diesem zur Rede gestellt, spielte er auf einem mit Fell und Saiten versehenen Schildkrötenpanzer derart gekonnt auf, dass Apolls Zorn verflog und er ihm die Rinder im Tausch gegen das Musikinstrument überließ. (Ganz nebenbei hatte Hermes auf diese Weise die Lyra „erfunden“, jenes zauberhafte Instrument, mit dem später Orpheus Menschen wie Götter verzauberte.) Gott Merkur alias Hermes war also klug und listig, und genau diese Fähigkeit verleiht er auch den Menschen, die insbesondere zwillingsbetont sind (Sonne, AC oder Mond). Er macht sie beredt, erfinderisch und verhilft auch mal zu einer guten Ausrede. Seiner listigen Eigenschaften wegen wurde er zum Gott der Kaufleute, Diebe und Bänkelsänger. Seine Fröhlichkeit machte ihn zum Schutzpatron all derjenigen, die auf heiteren Wegen wandeln. Und sein Diebstahl der Kühe ließ ihn natürlich zum Gedeihen der Vieherden beitragen. Durch seine Lust am Reden und sein Talent, sich allemal in ein günstiges Licht zu setzen, wurde er der göttliche Freund all derer, die viel sprechen, schreiben und auf der Bühne stehen: Dichter, Sänger, Schauspieler, Politiker, Talkmaster, Ansager, Komiker, Artisten oder Musiker. Er verkörpert unsere unbeschwerte Seite und den leichtesten Weg, den man gehen kann.
Merkur ist seiner Natur nach androgyn. Er vereinigt in seinem Wesen Frau und Mann und ist als solcher ganz, heilig, göttlich. Mars ist als Helferplanet der Menschen seiner Natur nach männlich und steht für den Sohn. Venus wiederum, die Schutzgöttin der Menschen mit einer Stierbetonung, ist weiblich und verkörpert die Tochter. Merkur nun, der Helferplanet der Menschen mit einer Zwillingsbetonung, ist das kleine Kind, das dem Namen nach ein Junge oder ein Mädchen sein kann, aber dennoch ganz – also all-eins – und nicht „halbiert“ ist. Dieses göttliche Ganz-Sein macht die Faszination eines Babys aus. Aus seinen Augen strahl Seligkeit.
Wer mit einer Zwillingsbetonung zur Welt kommt, trägt in sich diesen androgynen Gott und fühlt sich mit dessen Schönheit und Unschuld verbunden. Er ist in gewisser Weise über den Unterschied zwischen Mann und Frau hinaus, auch wenn er in seinem tatsächlichen Leben das eine oder andere verkörpert. Und er fühlt sich ganz besonders verloren und allein, wenn er vergisst, dass er eigentlich ganz und all-eins ist. Die deutsche Sprache drückt dieses Geschehen auf wundersame Weise aus: Die Worte „allein“ und „all-eins“ sind semantisch sehr ähnlich, beinahe identisch. Alles ist in einem, man ist ganz, und zwar dann – und gerade dann –, wenn man allein – all-eins ist: Das, was man sucht, ist immer schon in einem selbst.
 
 
DER KREBS-MYTHOS / MOND
 
Achill, der sensible, verletzliche Held wider Willen
 
Der Krebs-Mythos spiegelt sich in all den Schöpfungsgeschichten, die die große Mutter in den Mittelpunkt stellen. In der griechischen Mythologie finden wir hier als Beispiel die Meeresgöttin Thetis. Ihre Kinder mit Göttern wären nach der Prophezeiung so mächtig, dass ihnen niemand gewachsen wäre. Aus dieser Angst ziehen die olympischen Götter es vor, dass Thetis den sterblichen Peleus heiratet. Aus der Ehe geht der Held Achill hervor, der den Krebstyp sehr anschaulich verdeutlicht. Er erscheint seiner göttlichen Mutter so verletzlich und schutzlos, dass sie ihn ins Wasser des Unterweltflusses Styx taucht, um ihn so unsterblich zu machen. Dabei hält sie ihn aber an der Ferse fest, wodurch diese Stelle – die Achillesferse eben – ungeschützt bleibt. Später hält sich Achill, in Frauenkleider gehüllt, verborgen, um nur nicht mit in den Krieg ziehen zu müssen. Odysseus aber entdeckt ihn trotzdem unter den Frauen und nimmt ihn daraufhinmit nach Troja. Dort bleibt Achill so lange schmollend in seinem Zelt, bis ihn der Tod des Freundes Patroklus so tief bewegt, dass er den Kampf doch aufnimmt. Während des Krieges wird er vonseiner überfürsorglichen Mutter stets unterstützt mit Speise und Trank und selbst frischen Kleidern. Schließlich findet er, getroffen von einem Pfeil an seine schutzlose Ferse, sein frühes, aber ruhmreiches Ende.
 
Psychologische Botschaft: Von Zeit zu Zeit – die meisten Menschen erleben es nur ein- oder höchstens zweimal in ihrem irdischen Dasein – geschieht etwas sehr Seltsames am Himmel: Die Sonne verdunkelt sich mitten am Tag – und es wird Nacht. Man nennt dieses Ereignis eine Sonnenfinsternis – ein Wort, das den Vorgang nicht ganz zutreffend wiedergibt. Denn es ist der Mond, der sich vor die Sonne schiebt und sie „verfinstert“. Eigentlich müsste es daher „Mondauftritt“ heißen. Die Hauptrolle spielt eindeutig unser Erdtrabant, während die Sonne sozusagen „an die Wand gespielt“ wird. Aber das ist nur einer der unzähligen Belege dafür, dass der Mond in unserem Bewusstsein ein Schattendasein führt, eine Nebenrolle spielt und – wie im zitierten Volkslied – „Guter Mond, du gehst so stille …“, während vor der Sonne alle in die Knie gehen. Die Sonne bestimmt neben Tag und Nacht die Jahreszeiten. Der Mond regelt scheinbar gar nichts, denn er steht sowohl tags als auch nachts am Himmel. Und auf den Wechsel der Jahreszeiten hat er überhaupt keinen Einfluss (umsomehr auf den Wasserhaushalt der Erde: Ebbe/Flut, Wachstum, 28-tägigen Menstruationzyklus der Frau, …). Die Sonne gilt als das aktive Zentrum unserer bekannten Welt. Der Mond zählt nur als empfangendes, passives und untergeordnetes „Vehikel“. In der ganzen Welt wird die Sonne mit dem Mann, der Mond mit der Frau verbunden, was automatisch zu einer „natürlichen“ Überlegenheit des Mannes führt. In der westlichen Kultur kennt jeder sein Sonnenzeichen (Sternzeichen), aber nur ganz wenige Menschen wissen ihr Mondzeichen. Dieser scheinbare „Klassenunterschied“ lässt sich hundertprozentig auf den Menschen übertragen. Denn die Sonne steht für Ratio, Logik, Machen, Lenken und ähnliche Züge. Der Mond wiederum für Gefühl, Empfangen, Nähren, Umsorgen. Dem klassischen Klischee nach lassen sich sämtliche Sonnenattribute auf den Mann übertragen, diejenigen des Mondes entsprechend auf die Frau. Auf den Mond setzen heißt mitfühlen, sorgen, nähren und heilen. Mondbetonte Menschen nun (Frauen wie Männer) denken nicht nur an sich, an ihren Vorteil, den Gewinn ihres Betriebes, sondern sie haben das Wohlergehen aller – ihrer Kinder, ihres Partners, ihres Betriebes – vor Augen. Der Mond ist nicht egoistisch, sondern altruistisch. Wenn nun krebsbetonte Menschen (Sonne, AC oder Mond im Krebs) eine verantwortungsvolle Position innehaben, geschieht das immer dann, wenn sie von „ihrem Mond“ Gebrauch machen, also fürsorglich für „ein Ganzes“ wirken können. Das ist in Betrieben und Unternehmen möglich, in denen nicht nur messbare Leistungen zählen, sondern auf das „Klima“, das Ganze, geachtet wird. Mondbetonte Menschen kommen auf die Welt, um der scheinbaren Sonnenherrschaft Paroli zu bieten und im Sinne eines Gleichgewichts zwischen Sonne und Mond – Ratio und Gefühl, Egoismus und Altruismus – zu wirken.
Menschen, die mit einer Krebsbetonung (Sonne, AC oder Krebsmond) auf die Welt kommen, haben einen besonders leichten Zugang in eine Zwischenwelt, einen Bereich zwischen der realen und spirituellen Welt. Sie können sich – im Schlaf genauso wie in einem Tagtraum – in diese Welt fallen lassen und Kraft, aber auch Eingebungen tanken. Träume sind eine große Quelle der Wahrheit. Ein Träumer zu sein bedeutet die Quelle wieder in sein Leben zu integrieren. Dann bekommt die reale Welt Spuren der anderen, wird intensiv, lebendig, schöpferisch. Man erlebt die Welt wie ein Künstler – ein Maler, Musiker, Dichter. Vor allem aber fließt mehr Mitgefühl in das reale Leben ein. Denn in der spirituellen Welt existiert kein Ego, das meint, sich gegen andere Egos behaupten zu müssen. Alles ist mit allem in unendlicher Liebe verbunden. Ein Träumer zu sein bedeutet jedoch nicht, mit halbgeschlossenen Augen durch das Leben zu gehen. Im Gegenteil, die Verbindung zur Anderswelt macht das Leben hier bewusster, wirklicher und kräftiger. Ein Träumer zu sein bedeutet zunächst, nur für sich selbst in seine Traumwelt zu tauchen. Mit Kopfschütteln und Unglauben müsste der Träumende rechnen, wenn er von seinen eigenartigen Erlebnissen dort erzählen würde. Er vertraut sich nur sich selber an, spricht nur mit sich über seine Entdeckungen „drüben“ in der Anderswelt. Nach außen mag er sich sogar völlig anders präsentieren: nüchtern, pragmatisch, abweisend. Die Weisheit der Astrologie lässt ihn ja nicht schutzlos, denn als Krebs besitzt er einen Panzer, hinter den er sich bei Bedarf zurückziehen kann. Aber mit der Zeit wagt ein Träumer sich auch immer mehr mit seinem Schatz an die Öffentlichkeit, wird sich zunehmend sicherer, dass die Welt seiner bedarf. So wie ein Fluss die Wüste bewässert und fruchtbar macht, fühlt er sich mehr und mehr verantwortlich, den seelischen „Stoff“ Wasser unter die Menschen zu tragen. Er wird zum Gralsritter, einem Schutzgeist und Wächter der Seele der spirituellen Welt.
 
 
DER LÖWE-MYTHOS / SONNE
 
Apoll, der Sonnengott
 
Am eindringlichsten begegnet uns das Löwe-Prinzip in der griechischen Mythologie in Apoll, dem strahlenden Sonnengott. Stets ist dieser große Heiler von einer Aura der Ehrfurcht umgeben. Sein Beiname „Phoebus“ weist ihn als „rein“ oder gar „heilig“ aus. Er ist der Gott mit der ausgeprägtesten Individualität, der Sieger auch im alles entscheidenden Kampf mit dem Unterweltsungeheuer Python. Seine Kreativität äußert sich nicht nur in der Musik, mit der er direkt auf die Herzen einwirken kann, sondern auch in seiner Heilkraft und in seinem klaren Geist. Über den Eingang des Tempels zu Delphi ist der Kernsatz des Löwe-Prinzips eingemeißelt: „Mensch, erkenne dich selbst“.
 
Parzival, der Held, auf der Suche nach dem „heiligen“ Vater
                                                (Selbst)
 
Parzival ist wohl der bekannteste Vertreter des Löwe-Prinzips. Er wächst vaterlos auf, uns seine Mutter versucht, ihn über die Zeit als Kind zu halten (Kinderkleider). Im Gegensatz zu Achill, der sich gern in seinen Frauenkleidern versteckt, nimmt Parzival aber die erste Gelegenheit wahr, seiner Mutter zu entkommen und sich auf die Suche nach dem Abenteuer seines Lebens zu machen, die erst mit dem Finden des Grals (das Selbst) endet.
Auch Herakles und besonders sein Kampf mit dem lernäischen Löwen gehören hierher.
 
Psychologische Botschaft: Wird ein Kind mit Sonne oder Aszendent Löwe geboren, so ist ein Königskind geboren, mögen die Verhältnisse unter dem Dach, das seine Wiege beherbergt, auch noch so ärmlich sein. Mit ihm zieht das Glück ein, und das bleibt im Grunde ein Leben lang so, wenn nicht widrige Umstände den natürlichen Charme dieser Menschen brechen.
So übermächtig scheint die Sonne, dass man sie gemeinhin für alle Wachstumsvorgänge auf unserem Planeten verantwortlich macht. Sie bestimmt die Jahreszeiten und damit den Rhythmus des Wachsens, Reifens, Vergehens. Ihr Licht öffnet Knospen und lässt die Früchte reifen. Die Sonne gilt als der große Macher, der Herr über Gedeihen und Verderben. Dass dem Mond als empfangendes Prinzip und Symbol des nährenden Wassers eine nicht minder wichtige Rolle zukommt, wird gerne unterschlagen bzw. vergessen. Aber man muss ja nur eine Wüste aufsuchen, um zu sehen, was geschieht, wenn die Sonne allein das Sagen hat: Das Land verdorrt. Von dieser notwendigen Richtigstellung einmal abgesehen ist die Sonne aber auch wirklich ein „Ass“. Sie verdient ihren „Oskar“ schon am Morgen, wenn sie sich wie ein goldener Ball in den fahlen Himmel schiebt und Licht, Wärme, Hoffnung, Zuversicht und Selbstverständlichkeit verbreitet.
Wer mit einer Löwebetonung zur Welt kommt, soll dem Leben Glanz, Freude und Fröhlichkeit verleihen und seinen Mitmenschen das Glück bringen. Das ist eine schwierige Aufgabe, denn für das, was ein glückliches Dasein wirklich ausmacht, mangelt es auf dieser Welt immer mehr an Verständnis. Nur wenige leben in solch einem Glück und verbreiten es. Wir reden von einem Glück, das Fröhlichkeit in die Augen zaubert, Selbstgewissheit schafft, einen mit Zuversicht in die Zukunft blicken lässt und in diesem Vertrauen sorglos macht. Dieses Glück ist rar. Muss man nun, um solch ein Glück verbreiten zu können, über materiellen Reichtum verfügen? Wenn ja, womit soll jemand, der arm wie die sprichwörtliche Kirchenmaus ist, seinem Leben Glanz verleihen? Nun, erstens ist ein Mensch mit einer starken Löwebetonung niemals arm wie diese Kirchenbewohnerin. Zweitens geht es nicht um das persönliche Leben, sondern um das Leben schlechthin, und drittens kann man selbst unter den kargsten Bedingungen wie ein Sonnenkönig wirken. Die Schönheit der Natur beschränkt sich ja nicht auf eine Rose oder Lotusblüte, wir erkennen sie genauso bei einem Vergissmeinnicht oder Gänseblümchen. Nichts kann einen daran hindern, Glück zu verbreiten, ein Glücksbringer zu sein – außer man selbst. Nichts ist stärker als die Sonne. Und doch kann der eigene Stolz einen hindern, wenn man z.B. die Welt nicht für „würdig“ hält, dieses Glück zu empfangen. Dann jedoch versündigt man sich an seiner Geburt und seiner Löwenkraft. Die Sonne wählt nicht aus, wem sie ihr Licht schenkt und wem nicht. Sie verbreitet ihr Licht und ihren Glanz nicht, um zu imponieren. Das hat sie nicht nötig. Auch eine löwebetonte Person muss nicht um Anerkennung buhlen. Bedeutsamkeit hat sie allein schon durch ihre Geburt. Sie braucht sich nichts mehr zu beweisen.
 
 
DER JUNGFRAU-MYTHOS / MERKUR
 
Im Goldenen Zeitalter, als es auf Erden weder Krieg noch Hass gab, lebte die Göttin Astrea unter den Menschen, das Prinzip der gerechten Ordnung in der Natur verkörpernd, und die Menschen in diese Richtung belehrend. Das Zeitalter aber verfiel, die Menschen waren immer weniger geneigt, die Naturgesetze zu achten, und Astrea begann, sie für ihre Untaten zu hassen. Schließlich verließ sie die Erde, und Zeus erhob sie zum Sternbild der Jungfrau in den Himmel.
 
 
Persephone-Kore, die Jungfrau zwischen Himmel und Hölle
 
Einen komplexen Jungfrau-Mythos finden wir in der Geschichte von Demeters Tochter. Als Persephone hat sie sich entschieden, Jungfrau zu bleiben und sich ausschließlich den hellen Seiten des Lebens zu widmen. Doch diese Unschuld, in der sie Hades, blumenpflückend, antrifft, ist nur eine Seite ihres Wesens. Die andere, ungelebte, macht sie empfänglich für den räuberischen und lüsternen Hades und seine dunklen Absichten. Nachdem er sie geraubt hat, lebt sie diese Seite ein Drittel des Jahres in der Unterwelt, während sie für zwei Drittel als Kore ins helle Licht der Welt zurückkehrt. Für das Samenkorn, eine andere symbolische Parallelebene dieses Mythos, der ideale natürliche Kompromiss und offensichtlich auch für das Jungfrau-Prinzip.
 
Psychologische Botschaft: Über die Eigenschaften und Funktionen Merkurs, des griechischen Gottes Hermes, wurde bereits im „Zwillinge-Abschnitt“ einiges berichtet, weil dieser der Herrscherplanet sowohl für das Zwillingszeichen als auch das Jungfrauzeichen ist. Menschen mit einer Jungfraubetonung (Sonne, Aszendent, Mondstellung) profitieren von ihrem Merkur vor allem beim Kontaktieren und Verbinden. Außerdem macht er ihnen das Geschenk, geschlechtlich nicht so festgelegt wie andere Menschen zu sein, da dieser Planet seinem Wesen nach androgyn, also zwittrig bzw. geschlechtslos ist. Diese Eigenschaften teilen also das Zwillings- wie auch Jungfrauzeichen, jedoch sind für jungfraubetonte Menschen auch noch andere Attribute Merkurs relevant:
Bei den Griechen gilt Hermes/Merkur als Diener des Zeus und damit als Götterbote, der zwischen dem Olymp, dem Wohnort der Unsterblichen, und den Menschen drunten auf der Erde vermittelte. Als Bindeglied zwischen den Welten begleitete er auch die Seelen der Verstorbenen in die Unterwelt. Um seinen weltweiten Aufgaben rasch nachkommen zu können, besaß er geflügelte Sandalen und einen geflügelten Hut. Ein weiteres Attribut war sein goldener Heroldsstab, der Kerykeion, ein Zauberstab. Hermes überbrachte also den Willen seines Vaters Zeus. So führte er z.B. in dessen Auftrag Hera, Athene und Aphrodite zum Idagebirge, wo Paris den goldenen Apfel der – seiner Wahl nach – schönsten der Frauen überreichen sollte. Seine Entscheidung für Aphrodite, die ihm dafür Helena versprochen hatte, löste später bekanntlich den Trojanischen Krieg aus (siehe nächsten Abschnitt Waagemythos/Venus). Hermes/Merkur war außerdem die Fähigkeit des Vorausschauens gegeben. Kraft seiner Flügel an Schuhen und Helm konnte er in die Zukunft fliegen und erkennen, was sein wird. Somit war er dem Schicksal immer einen Schritt voraus. Tatsächlich sind jungfraubetonte Menschen die besten Boten der Welt und sie üben oft genug entsprechende Tätigkeiten aus. Sie arbeiten z.B. bei der Post, im Telefonservice oder dem Geheimdienst. Ihre Stärke als treue Begleiter zeigt sich in sozialen Berufen. Ich wette, dass es in Krankenhäusern und Arztpraxen vor Leuten mit Jungfraubetonungen „nur so wimmelt“. Ihre Zuverlässigkeit und Ernsthaftigkeit auf der einen und ihre Sensibilität auf der anderen Seite sind genau die richtigen Voraussetzungen für diese schwere Arbeit. Und sie sind auch in der Lage, göttliche Botschaften zu empfangen und weiterzugeben. Insbesondere dann, wenn sich ihr Verständnis für die kosmische Ordnung mit Inspiration vermischt. Alles im Kosmos folgt einer Ordnung, entsteht, wächst, vergeht und fließt in einen neuen Zyklus ein. Die Jungfrau ist mit dieser Ordnung in besonderer Weise verbunden und steht ihr unter allen zwölf Tierkreiszeichen am nächsten (Göttin Astrea). Verbindet sich mit dieser Stimmigkeit und Ordnung die Kraft des Feuers (z.B. einer AC-Jungfrau durch das natürliche erste Feuerhaus, oder andere Feuerbetonungen in einem Jungfrau-Horoskop) greifen Ordnung und Inspiration ineinander. Dieses Zusammenwirken macht Menschen mit einer derartigen Jungfraubetonung empfänglich für besondere Einsichten und Visionen, und sie verfügen über die Fähigkeit, diese Erfahrungen oder Botschaften – ähnlich dem Götterboten Hermes/Merkur – auf die Erde unter die Mitmenschen zu bringen. Meistens sind sie sich dessen selbst nicht bewusst. Aber sie sagen und tun zuweilen Dinge, die nicht anders zu erklären sind. So warnen sie z.B. vor Gefahren und benennen Risiken (wenn das manchmal auch als Kritik oder übergroße Vorsicht „rüber kommt“). Das führt zuweilen zu einer ausgesprochenen Medialität. Viele Medien, Kartenleger und Astrologen finden sich mit einer Sonne oder einem Aszendenten in der Jungfrau. Bei ihnen paart sich das Wissen um eine natürliche Ordnung mit höheren Eingebungen oder Inspirationen. Sie erkennen die Gesetze des physischen Lebens, wissen also, wie die „Räder des Lebens“ ineinander greifen, und bereichern diese darüber hinaus mit Ideen, die ihnen zufallen. Man muss aber nicht nur auf Medien mit Jungfraubetonungen verweisen, um diese besondere Veranlagung dieser Menschen zu demonstrieren. Neben den verwaltungstechnischen und feinmechanischen Bereichen in denen es Präzision bedarf, findet man jungfraubetonte Menschen ebenso häufig (bei entsprechend astrologischer Kombination) als Psychologen, Therapeuten, Lehrer, Sozialarbeiter, Ärzte, Krankenpfleger, die bestätigen, dass sie jenseits von Wissen und Erfahrung über Quellen verfügen, die ihnen bei ihrer Arbeit von unschätzbaren Nutzen sind.
Diese wundersame Gabe enthüllt sich auch keinesfalls ausschließlich in sozialen Tätigkeitsbereichen. Jeder jungfraubetonte Mensch verfügt über einen Zugang, erteilt Ratschläge, verweist auf Gefahren und Risiken, spricht Warnungen aus. Damit macht man sich übrigens nicht nur beliebt. Wenn man sich nur noch am irdischen Alltag orientiert und den Blick in den Himmel nicht mehr riskiert, neigt man dazu, alles und jeden zu „benoten“. Daraus wird dann schnell Schwarzmalerei und Defätismus. Es gibt Menschen mit dieser Kombination, die die entsetzliche Angewohnheit haben, jeden Impuls im Keim zu ersticken mit dem typischen Jungfrau-Satz: „Das klappt niemals!“ Dass sie dann oft auch noch Recht behalten, macht das Ganze zur noch schlimmer. Fraglos befähigt eine starke Jungfraubetonung zum „zweiten Gesicht“. Diese Menschen vermögen Dinge zu „sehen“, die anderen verborgen bleiben. Wie ihr Herrscherplanet Hermes/Merkur besitzen sie „magische Flügel“. Sie können in die Zukunft „fliegen“. Für sie scheint die Gesetzesmäßigkeit der Zeit aufgehoben, sie können hingehen, wo das Sein erst in Stunden, Tagen oder Wochen ankommt. Dieses Wissen aber gilt es behutsam und verantwortlich einzusetzen. Sonst richtet es mehr Unheil an, als es Gutes bringt. Wichtig im Umgang mit dieser Magie ist es, sich nie selbst zum Urherber seiner Gaben, der Eingebungen oder Visionen, zu machen. Man ist nur ein Bote, ein Überbringer, aber kein Verursacher. Als Bote bleibt man Diener und ist kein Herr. Ein Astrologe z.B. erhält sine Eingebungen von den Sternen. Ein Künstler von den Musen. Ein Kartenleger vom Geist des Tarot. Dem Überbringer kommt eigentlich keine Bedeutung zu. In diesem Sich-Zurücknehmen liegt Demut, eine Tugend, die in unserer Gesellschaft wenig zählt oder mit Unterwürfigkeit gleichgesetzt wird. Das führt wiederum dazu, dass viele Menschen mit einer Jungfraubetonung wider ihr besseres Wissen gegen ihr eigens Naturell zu Felde ziehen und sich über Schulungen und dergleichen mehr „Selbstbewusstsein“ antrainieren wollen. Das mag im Einzelfall nützlich sein, lässt aber den eigentlichen Sinn, der diese Tugend ausmacht, außer Acht. Sich vor der Schöpfung zu verneigen ist keine Schwäche. Sich einer kosmischen Ordnung zu unterwerfen ist es genauso wenig und zeigt viel eher wahre Größe.
 
Eine weitere psychologische Anmerkung sei noch dem Mythos/Thema der Jungfrau/Samenkorn gewidmet, die ein Drittel des Jahres bei Hades lebt und zwei Drittel des Jahres als Kore in der Lichterwelt verbringt, bzw. das Korn das ein Drittel seines Lebens unter der Erde und zwei Drittel über der Erde lebt; Man bezeichnet den unmittelbaren Verzicht der Triebbefriedigung im Interesse der Erziehung und menschlichen Reifung als „Sublimierung“. Ein Kind muss lernen, mit der Zeit seine unmittelbare Bedürfnisbefriedigung aufzuschieben, also nicht sofort zu essen, wenn es Hunger verspürt, und nicht sofort seine Notdurft zu verrichten, wenn es Drang dazu empfindet. Jeder Aufschub und unmittelbare Verzicht erwirkt reiferes Verhalten, höhere Intelligenz und Festigung des Charakters. In diesem Zusammenhang kommt auch der genitalen Befriedigung ein besonderes Augenmerk zu: In der Weise, wie es dem Heranwachsenden gelingt, seine sexuellen Impulse einer unmittelbaren Befriedigung zu entziehen, gewinnt er an individueller und sozialer Kompetenz. Das betrifft alle Menschen. Zu einem wichtigen, ja zentralen Thema aber wird dieser Prozess bei jungfraubetonten Menschen. Eine unmittelbare Befriedigung aufzuschieben und darüber zu reifen, darin besteht ihre besondere Aufgabe. Dieses Prinzip „Aufschub“ praktiziert auch die Zeit, die den Abschnitt Jungfrau umfasst: Von Ende August bis Ende September wird zwar die Ernte eingebracht, aber das Allerwenigste wird gleich verzehrt, sondern in Scheunen, Kellern und Vorratskammern „gebunkert“. Dieses archaische Bild einer prallen Scheune symbolisiert Vorsorge und Überleben oder wie man es nach Jungfrau-Art sagen kann: Überleben durch Aufschub und unmittelbaren Verzicht oder Überleben durch Sublimierung.
 
 
DER WAAGE-MYTHOS / VENUS
 
Paris und die Not-wendigkeit des Schuldigwerdens
 
Die Legende von Paris, dem Königssohn von Troja, beginnt mit jenem Orakelspruch, der den Königssohn als Ursache für den Untergang des Reiches ausweist. Daraufhin wird Paris, wie so viele andere Helden, auf einem Berg in der Wildnis ausgesetzt. Das verlassene Kind aber wächst zu einem außerordentlich schönen und urteilssicheren Jüngling heran, dass Zeus ihn auswählt, als er in einer heiklen Angelegenheit eines Schiedsrichters bedarf. Paris soll entscheiden, wer von den drei Göttingen Hera, Athene und Aphrodite (Venus) die schönste sei. Seiner (Waage-)Natur entsprechend windet sich Paris, aber schließlich muss er sich entscheiden, und dabei helfen ihm die Göttingen indirekt. Hera verspricht ihm weltliche Macht, Athene Unbesiegbarkeit im Kampf, Aphrodite aber verspricht ihm die schönste Frau der Welt zum Weib, nämlich Helena. Natürlich wählt Paris Aphrodite, was schließlich zum Trojanischen Krieg und damit, wie vorhergesagt, zum Untergang von Troja führt. Denn Helena ist ja verheiratet, und das sich entwickelnde bedrohliche Dreiecksverhältnis verschlingt schließlich den Helden selbst. So erfüllt er sein Schicksal, das ihn für seine Vorzüge (Schönheit, Urteilskraft) so hart zahlen lässt, indem es ihm eine Entscheidung abverlangt, zu der nicht einmal die Götter fähig waren.
 
Psychologische Botschaft: Über die Venus als Planeten wurde schon im Zusammenhang mit dem Stiermythos berichtet, dem sie als „Morgenstern“ entspricht, als „Abendstern“ hingegen den waagebetonten Menschen (insbesondere Sonne und AC in der Waage) zur Seite steht. Zwar verleiht auch die Venus des Abends – also die Waage-Venus – Eigenschaften, wie sie beim Stier beschrieben wurden, auch sie macht also überaus sinnlich und verführerisch. Aber die Stier-Venus reizt vor allem die fünf Sinne, lässt intensiver riechen, schmecken, malt die Welt bunter und lieblicher und sorgt dafür, dass man die Nähe mit ihren Liebkosungen, ihrer Erotik sucht. Die Waage-Venus hingegen favorisiert eher geistige Qualitäten: Ästhetik, Poesie, Verzückung und platonische Liebe. Das soll nicht heißen, dass waagebetonte Menschen dem Sex abhold wären. Aber ihre Erotik spielt sich nicht mehr nur im rein Körperlichen ab. Ein Gedicht, ein Bild, ein Lied kann die Sinne so reizen und befriedigen wie stierbetonte Menschen ein Kuss oder ein tolles Essen. Ein weiteres wesentliches Waage-Prinzip ist jenes der Versöhnung. Häufig werden waagebetonte Menschen in solche Familien und Ehen hineingeboren, in denen der Hausfrieden „schief“ hängt, um in einem vielleicht letzten Versuch die Ehe zu kitten. Solche Kinder und später auch Erwachsene sind in aller Regel Genies darin, Streithähne zu versöhnen. Sie bringen einen „Sternenstaub der Versöhnung“ mit auf die Erde hinunter, mit dem sich eine Trennung oft genug hinausschieben lässt.
Liebe ist überhaupt die Existenzberechtigung für diese Waage-Venus betonten Menschen. Lieben heißt leben und Leben heißt lieben. Scheitert eine Beziehung, wird das immer als persönliches Versagen empfunden. Weil sich ein solcher Mensch von Kind auf als Wächter und Retter der Liebe erlebt, Liebe für ihn Aufgabe und Erfüllung bedeutet, verliert er durch diesen Bruch seine Sicherheit, sein Zuhause, seinen Lebenssinn. Nach einer Trennung ist es daher wichtig, an sich selbst zu arbeiten und sich von vermeintlicher Schuld und von Versagen freizusprechen. Wichtig ist, sich bewusst zu machen, dass die Liebe nicht „geht“, wenn eine Beziehung endet. Sie ist nicht an diesen oder jenen Menschen gebunden, sondern universell. Die Liebe ist in einem selbst. Sie ist nicht abhängig von irgendwas oder irgendjemandem. Die große Liebe ist etwas Außer- oder Überirdisches, etwas Universelles. Sie verströmt sich, verbindet alles mit allem. Wir sind wieder am Anfang, dort wo alles begann, im Reich der Ideen, der spirituellen Welt.
 
 
DER SKOPRION-MYTHOS / PLUTO
 
Der abenteuerliche Wandlungsweg des Perseus
 
Nicht nur in Perseus, der seine Geburt einem Wunder verdankt, sondern auch in seiner Gegenspielerin Medusa finden wir den skorpionischen Archetyp. Wie so oft bilden die Hauptfiguren eine psychologische Einheit (vgl. auch Faust und Mephistopheles, Siegfried und Hagen). Medusa, ehedem eine schöne Frau, wird nach einer erotischen Nacht im Tempel der Athene von dieser zur Strafe für die Tempelentweihung in jenes grauenerregende Ungeheuer verwandelt, dessen Anblick allein genügt, jeden Sterblichen erstarren zu lassen. Von nun an ist sie voll Bitterkeit und Hass gegen alles Leben. Perseus muss sie enthaupten, um seine eigene Mutter vor einer aufgezwungenen Heirat zu retten, d. h. er muss die dunkle Frau, Medusa, überwinden, um die helle zu erlösen. Um diesen Kampf zu bestehen, bedient er sich auf Vermittlung der Götter allerlei magischer Hilfsmittel. Im Augenblick, wo das Haupt der Medusa fällt, erlöst er auch noch das magische Pferd Pegasus aus deren Hals. Das überwundene Dunkel wird ihm in den folgenden Kämpfen zur Hilfe (symbolisiert durch das abgeschlagene Medusenhaupt in seiner Hand). Das giftige Blut des Ungeheuers ergibt später noch jenes Hilfsmittel, mit dem Asklepios Tote wiedererweckt. So kann das Dunkle von Perseus letztlich nicht zerstört werden, sondern muss überwunden und damit verwandelt werden (Metamorphose/Transformation).
Hierher gehören auch all die mythologischen Drachenkämpfe (germ.: Siegfried gegen den Drachen Fafner, Herakles gegen die vielköpfige Hydra) sowie Goethes „Faust“.
 
Psychologische Botschaft: „Musst du immer alles bis zum Äußersten treiben?“, wie oft hören skorpionbetonte Menschen (Sonne, AC oder Mond), schon als Kinder und auch als Erwachsene später, diesen Satz. Mit der Zeit sagen sie ihn sich schon selbst vor. Aber es ist zwecklos: Sie sind nun mal aus einem „außerterrestrischen Holz“ geschnitzt – unsinkbar, nicht entflammbar, einfach unverwüstlich. Und „kleine Tode“ sind ihr täglich Brot: „Wer nicht stirbt, bevor er stirbt, der verdirbt, wenn er stirbt!“, so oder ähnlich lautet der Leitsatz bei skorpionbetonten Menschen. Das bedeutet in gar keiner Weise, dass diese Menschen real gefährdeter wären als andere. Im Gegenteil, sie werden älter als die meisten und scheinen dabei auch noch robuster, also gesünder zu bleiben als der Rest. Es geht auch beileibe nicht immer gleich um Leben und Tod. Diese beiden Worte stehen nur für das duale Lebensspiel, dem alles folgt: Kommen und Gehen, Begegnen und Trennen, Halten und Loslassen, Tag und Nacht, Plus und Minus. Jeder Mensch muss sich dieser Dualität stellen. Aber skorpionbetonte Menschen sind ihr besonders ausgeliefert. Er muss in diesem „Fach“ seinen Meister machen. Ein wichtiger „Prüfungsstoff“ auf dem Weg dorthin lautet, dem Schein zu misstrauen. Diese Menschen entwickeln schon als Kinder einen (Laser)Blick für alles Falsche, Seichte und Aufgesetzte. Sie haben so etwas wie den natürlichen Röntgenblick und schneiden notfalls tief ins „Fleisch“ (den allbekannten Finger in die Wunde legen), wenn sie einen faulen Herd vermuten. Warum? Wozu? Weil Schwäche, Falschheit und Unaufrichtigkeit keinen Bestand haben vor dem Tod. Nur echte und starke „Materialien“ können der Vergänglichkeit trotzen. Sie ahnen Schwindeleien und Betrügereien, auch wenn sie sich noch so im Verborgenen abspielen. Hingabe und Liebe sind ein anderes Skorpionthema, um den Tod zu überwinden, indem neues Leben gezeugt wird. Wer skorpionbetont auf die Welt kommt, kann – um erfüllt zu sein – nicht einfach leben, sondern ist auf die Liebe und Hingabe anderer angewiesen (daher rühren auch die die bekannten eifersüchtigen und besitzergreifenden Eigenschaften des Skorpions). Das klassische Beispiel bilden Mann und Frau, die zusammen ein Kind in die Welt setzen (Skorpion bedeutet ja „sterben und werden“, also auch erzeugen). Das Kind ist die Folge einer wundersamen „Verschmelzung“ von Mann und Frau, die nur bildlich gemeint ist, aber im Ineinandergehen von Samen und Eizelle auch tatsächlich stattfindet. In der Hingabe und Verschmelzung liegt daher das Geheimnis der skorpionbetonten Menschen. Sie experimentieren damit ihr ganzes Leben, um neues, ewiges Leben zu erschaffen und für sich selbst zu gewinnen. Das ist der Grund, warum sie so überaus leidenschaftlich sind und alles mit „Leib und Seele“ durchziehen, in der Liebe genauso wie im sonstigen Leben, wo sie häufig in derartigen Herausforderungen zu finden sind, wo andere schon lange keinen „Nerv“ mehr dafür haben. Gibt es keine Herausforderung, suchen sie sich eine. Die Intensität ihres Vorgehens setzt Energien frei, ähnlich wie dies bei einer Kernspaltung geschieht. Und so wie der kleine Herrscherplanet Pluto allein bedeutungslos wäre, aber im Zusammenwirken mit den anderen Gestirnen zu einer machtvollen Kraft wird. So schafft ein skorpionbetonter Mensch allein nicht viel, erst in der Gemeinschaft, indem er sein Tun einer „Mission“, einem höheren Sinn unterstellt, kommt die überdurchschnittlich starke plutonische Energie zum Ausdruck. Ohne Partner, Familie, Firma, Sippe, Nation, Glaubensbrüder, Verein etc. leisten skorpionbetonte Menschen verhältnismäßig wenig. Sie sind unterfordert, energielos. Aber sobald sie in den Sog von etwas geraten, das ihren enormen Überlebensinstinkt weckt, können sie Welten bewegen.
Ein weiteres Skorpionthema sind Macht und Ohnmacht; Keine Frage, die Verbindung von Macht und Liebe oder Dominanz und Unterwerfung kann überaus gefährlich sein. Die größte Bedrohung aber ist ein skorpionbetonter Mensch für sich selbst. Bekanntlich kann eine Kernspaltung langsam und kontrolliert erfolgen und zu friedlichen Zwecken genutzt werden. Sie kann aber auch schnell und unkontrolliert stattfinden und mit einer verheerenden Zerstörung einhergehen. Das ist auch bei skorpionbetonten Menschen der Fall. Einiger dieser Konstellationsvertreter können, wenn sie keinen Ausweg mehr sehen, all das was ihnen einmal lieb und wert war, vernichten, inklusive sich selbst. Es gibt keine andere archetypische Energie wie die des Skorpions, das derartig fundamentale Möglichkeiten besitzt, seine Anlagen zu missbrauchen und sie im Sinne egoistischer Befriedigung zu leben. Sie verleitet dazu, Leid zu verbreiten und auch selber zu leiden, sich lebendigen Leibes einzugraben in Dunkelheit und Grauen. Zu ganz besonderen Individuen aber werden Menschen, die zur erlösten Form ihrer skorpionbetonten Konstellation finden. Dann nämlich haben diese Menschen keinerlei Angst mehr vor dem Leben und damit auch nicht vor dem Tod. Sie wissen, dass es immer weitergeht. Sie nehmen jeden Moment ihres Daseins als das Einzige, was zählt. Insofern sind sie unsterblich und ewig geworden. Die Gnade erwächst aus der Hingabe an das Leben von Moment zu Moment, wie es im Skorpion angelegt ist. Wenn sich diese Energie aufrichtet, nach oben steigt, wird sie frei von jeglicher Schwere. Die Astrologie schuf dafür ein wunderbares Bild: Sie erhob den erlösten Skorpion zum weisen Adler. Befreit aus der Enge des stacheligen Skorpionpanzers entweicht dieser Vogel und hebt sich in den Himmel der Unendlichkeit.
 
 
DER SCHÜTZE-MYTHOS / JUPITER
 
Cheiron, der in den leidenden Körper gefesselte Weise, der sich selbst erlösen muss
 
Als Kronos von Rhea überrascht wurde, wie er bei Philyra, der Tochter des Okeanos, lag, entfloh er in der Gestalt eines Hengstes. Die solcherart verlassende Philyra gebar darauf Cheiron, halb Mensch, halb Pferd, der später aufgrund seiner Weisheit und Gerechtigkeit zum König der Kentauren wird. Seine Gelehrsamkeit und sein Ruf als Heilkundiger und Prophet sind so groß, dass Götter und Menschen ihre Söhne zu ihm in die Lehre schicken. Unter ihnen ist auch Asklepios, dem er all sein medizinisches Wissen übergibt. So weise und gerecht Cheiron ist, so ungerecht erscheint sein Schicksal. Nachdem er den Herakles dabei unterstützt hatte, den erimanthischen Eber zu fangen, wird er „zufällig“ von einem der Pfeile des Helden an der Hüfte, also in seinem tierischen Teil, verwundet. Der Pfeil ist an sich tödlich, da Herakles ihn ins Blut der Hydra getaucht hatte. Weil aber Cheiron zu den Unsterblichen gehört, ist es ihm nicht vergönnt zu sterben, und er zieht sich unter großen Qualen in seine Höhle zurück. Erst viel später wird ihm Erlösung von seiner unheilbaren Wunde zuteil, als er den Tod des Prometheus auf sich nimmt und an dessen Stelle in die Unterwelt einzieht.
 
Psychologische Botschaft: Jupiterbetonte Menschen sind immer von Trost und Hoffnung begleitet: Diese Menschen werden Wunden heilen, die die Zeit geschlagen hat. Ihnen haften wundersame Fähigkeiten an. Sie können dem Schicksal Schönheit und Würde verleihen. Sie sind also ganz besondere Menschen, fast so etwas wie Engel oder kleine Götter. Aber das ist nur die eine Seite. Die andere zeigt Menschen, die hemmungslos ihren Gelüsten folgen und ihren Launen fast schon wie Tiere ausgeliefert sind. Jupiterbetonte Menschen sind nämlich beides, Gott und Tier. Diese Mischung macht das Leben nicht leicht. Einerseits wähnt man sich wissend, hält sich für ein Genie und glaubt sich den Göttern nah. Andererseits vermag man seinen Gelüsten nicht zu widerstehen und ist anschließend der Scham darüber ausgeliefert. Das Ganze ist eine kosmische Inszenierung, die manchmal tragisch, dann wieder komisch, meistens aber schrecklich anstrengend ist. Das Sternbild Schütze ist ein Mischwesen, halb Mensch, halb Pferd, ein Kentaur also, eines jener Fabelwesen, die im griechischen Mythos ihr Unwesen trieben. Mensch und Tier stehen für Geist und Körper. Die Zweiheit aus Tier und Mensch, die das Fabelwesen Schütze bzw. der Kentaur symbolisiert, spiegelt die uralte Dualität zwischen Körper und Geist, Materie und Idee, dem Festen (oder Stofflichen) und dem Feinen (oder Energetischen). Die Kentauren sollen von Ixion, dem König der Lapiithen in Thessalien, und einer Wolke (Nephele) abstammen, der Hera auf den Rat des Zeus ihre Gestalt gegeben hatte, als sie der betrunkene Ixion bei einem Gelage der Götter belästigte. Als Ixion das Trugbild „anstach“, zeugte er damit „Bastarde“, eben die Kentauren. Dementsprechend wurden die Kentauren als unbeherrschtes und lüsternes Volk geschildert, die Menschen überfielen und sie manchmal sogar auffraßen. Sogar den Göttern waren sie nicht geheuer. Unter ihnen aber war Chiron eine Ausnahme, ein weiser Prophet, Arzt, Lehrer und Musiker. Er war Erzieher und Beschützer vieler Helden, zum Beispiel von Herakles, Apollon oder Asklepion. Der große und kühne Herakles verfolge einmal eine Horde Kentauren, die ihn zuvor angegriffen hatte, und beschoss sie mit seinen Pfeilen. Sie flüchteten sich zu ihrem Bruder Chiron. Ein Pfeil, der durch den Arm eines Kentauren drang, fuhr unglücklicherweise auch noch in das Knie Chirons und blieb dort stecken. Herakles erkannte erst jetzt seinen Freund aus früheren Tagen, zog den Pfeil heraus und wandte ein Heilmittel an, das der arzneimittelkundige Chiron selbst zubereitet hatte. Die Wunde, durchdrungen vom Gift der Galle Hydras, war jedoch unheilbar, und der unsterbliche Chiron litt fürchterliche Qualen. Schließlich trat er seine Unsterblichkeit an Pormetheus (siehe Wassermann/Uranus) ab und wurde dafür von Zeus an den Sternenhimmel gebannt – als Schützezeichen, in dem zwei total widersprüchliche Charaktere miteinander verschmelzen. Was ergibt sich aus diesem unlösbaren Widerspruch letztendlich? – Demut und Mitgefühl! Sämtliche Absurditäten der menschlichen Existenz, sogar Bosheit und Abscheulichkeit, bekommen einen Schimmer göttlichen Wirkens. Das ist das Beste was schützebetonte Menschen (Sonne, AC, Mond) der Welt bringen: Friede, Verzeihen, Verständnis, Toleranz – sich selbst gegenüber, seinen Taten (und Untaten) und denen der ganzen Welt. Aber – um es durch Wiederholung zu unterstreichen – diese Menschen sind eben auch völlig anders, ganz Tier, gewalttätig, triebhaft und gnadenlos. Ihrer Doppelnatur entspricht auch Jupiter,  der Herrscherplanet des Schützen. Jupiter ist die römische Variante von Zeus, dem Gott der Götter, dem „Schicksalsgeber“ für den Rest der Unsterblichen. Sein Reich waren Himmel und Erde, sein Sitz der Olymp, das vom Licht verzauberte Gebirge auf dem griechischen Festland. Dass er ihr Oberhaupt war, ließ er seine Untertanten auch reichlich spüren. Erst recht litten die Sterblichen von Fall zu Fall unter der Knute des göttlichen Zeus/Jupiter. Aber dieser „Supergott“, wie wir ihn heute nennen würden, zeigte auch ganz menschliche, um nicht zu sagen animalische Begierden. So hatte der oberste Gott ein Verhältnis mit Leda, der Gattin des Königs Tyndareos von Sparta, die seine Gelüste geweckt hatte. Der Götterfürst wählte einen raffinierten Weg, um sich der verheirateten und ihrem Manne ergebenen Leda zu nähern und hingeben zu können: Er verwandelte sich in einen Schwan. Die sterbliche Europa entführte er als Stier in fremdes Land, um sich ungestört mit ihr vergnügen zu können. Er erschien den Begehrten auch als Hirte, Schlange oder Adler. Wer schützebetont auf die Welt kommt, fühlt sich einerseits wie Jupiter, berufen, über andere zu urteilen und Schicksalsgott zu sein. Auf der anderen Seite ist er einer niederen Natur ausgeliefert. Natürlich leben solche Menschen nicht mehr auf dem Olymp und schleudern Blitze auf die Erde oder lenken die Geschicke der Sterblichen. Heute werden sie Priester, Psychologen, Ärzte, Sozialarbeiter, Richter, Anwälte, Schiedsrichter, Lehrer, Trainer – Berufe, bei deren Ausübung sie über das Schicksal von Mitmenschen mit entscheiden können.
Wenn dem Göttlichen immer auch etwas Animalisches anhaftet, muss dieses umgekehrt auch göttlichen Ursprungs sein. So bewegt sich der schützebetonte Mensch zwischen göttlichem und animalischem, zwischen Himmel und Hölle hin und her, und reift für sich und andere zum Retter, der immer wieder „die Hölle in den Himmel bringt“, indem er den Geschehnissen einen Sinn beimisst. Wenn jemand in das Leben eines andern Menschen eingreift, vielleicht sogar gegen seinen Willen, ist das so eine Sache. Hat nicht das Schicksal es gewollt, dass jemand krank wird, in jungen Jahren stirbt oder arm bleibt wie eine Kirchenmaus? Woher nimmt so einer eigentlich das Recht. Ein Schicksalsmacher muss sich mit diesen Fragen ständig auseinander setzen. Am wichtigsten dabei ist, dass er dem anderen niemals die Würde nimmt. Dann hat er verloren. Die Würde zu lassen, das bedeutet, sich nicht über den anderen zu stellen (oftmals typische „allwissende“, „selbstgemachte Gesetze“ Schütze-Arroganz). Ein Schicksalsmacher stellt sich neben seinen Mitmenschen, mehr noch, er versetzt sich in ihn hinein. Er betrachtet das Leben aus dessen Perspektive und sucht dann gemeinsam nach anderen Möglichkeiten (nach dem Schützemotto: immer wieder neue Erkenntnisse sammeln und weitergeben – daher auch klassisches Lehrer-Prinzip). Ein Arzt, der nur gegen Symptome vorgeht, handelt ebenfalls falsch. Es genügt nicht, nur das Fieber zu bekämpfen, er muss die Ursache erforschen und herausfinden, was das Schicksal mit dem Fieber wollte, um mit dem Patienten gemeinsam eine neue Perspektive zu erarbeiten. Übernimmt der Schicksalsmache die alleinige Verantwortung, handelt er ebenfalls nicht richtig. Arzt und Patient sind ein Team. Wieder sind wir bei den Kentauren: Gott wird zum Tier, um es zu lieben. Ein Arzt, Therapeut, Anwalt, Priester oder was immer, der seinen „Fall“ nicht liebt, hat verloren, wird nie und nimmer etwas bewirken, was Bestand hat. So muss sich  ein Schicksalsmacher immer wieder zurücknehmen und sich jeder Überheblichkeit enthalten. Auf der anderen Seite ist er der Wahrheit nahe, er braucht nur Geduld zu bewahren: Die Inspiration kommt zu ihm und zeigt ihm einen Weg. Am gefährlichsten aber ist Hybris. Dazu noch einmal ein Blick auf Chiron, den guten „Kentaur“ und großen Arzt. Er war der Sohn von Kronos und einer Nymphe, also unsterblich. Dieser große Gott konnte gegen das Gift in seinem Körper nicht angehen, er konnte sich selbst nicht heilen. Chiron symbolisiert daher eine persönliche Schwachstelle, die man nicht beheben kann. Wie Chiron muss man darüber hinauswachsen, indem man die „Verletzung“ annimmt und dadurch Verständnis für andere mit ähnlichen Schwächen aufbringt. Das macht demütig und dankbar.
Schütze/Jupiter/Zeus zeigt also seine göttliche Seite im Bild des dennoch verletzbaren Kentauren Chiron, und seine animalische Seite im Bild der Kentauren. Erst die versöhnliche Verbindung beider Seiten führt zurück zum Olymp.
Zeus/Jupiter war der Sohn von Kronos (siehe nächsten Abschnitt, der Steinbock-Mythos/Saturn), der in der römischen Mythologie mit Saturn gleichgesetzt wurde. Kronos, der seinen Vater Uranos entmannt hatte und dessen Fluch fürchtete, eines Tages selbst durch eines seiner Kinder entmachtet zu werden, fraß die Kinder, die er mit seiner Schwester und Gemahlin Rhea zeugte. Rhea aber gelang es, den neugeborenen Zeus in einer Höhle auf Kreta vor Kronos zu verbergen. Der herangewachsene Zeus/Jupiter erfüllte den Fluch des Uranus, verbannte seinen Vater und übernahm die Herrschaft. Damit kehrte unter den Göttern vorerst wieder Frieden ein. Die Menschen atmeten auf. Es gab wieder Hoffnung, Licht und Freude.
Genauso fühlt sich ein schützebetonter Mensch. Nach diesem Motto lebt er: „Jetzt wird alles gut. Ich bringe Glück“ …
 
 
DER STEINBOCK-MYTHOS / SATURN
 
Der Held, der den alten, das Leben einschränkenden Vater (König) überwinden muss
 
Die Geschichte des Steinbocks lässt sich ähnlich wie schon beim Stier vom Bild des Symboltieres aufrollen. Kronos (Saturn), der alte Ziegenbock (das Symbol für das Einbringen der Ernte), verfolgt seinen Sohn Zeus mit verschlingender Eifersucht. Die Ziegennymphe Amaltheia nimmt sich des jungen Gottes an, säugt ihn und rettet ihm so das Leben. Um seine Dankbarkeit auszudrücken, setzt Zeus später das Bild des Steinbocks an den Himmel. Wiederum erscheint uns der Archetyp in den verschiednen Figuren (Kronos, Zeus, Amaltheia) gleichzeitig. Eine typische Steinbockfigur ist auch der alte, an seiner unheilbaren Wunde leidende Gralskönig Amfortas. Es heißt, ihm „fehlt“ etwas, und er könne nicht mehr zeugen (Kastration?). So wartet er auf seine Erlösung durch den jungen König. Schließlich gehören alle jene Legenden hierher, die das Sterben des alten Königs zur Voraussetzung für die Wiedererstarkung des Reiches oder auch der Natur machen. (Vor allem in den frühen matriarchalischen Kulturen wurde der alte König alljährlich geopfert, um Platz für das Neue in der Natur zu schaffen.)
 
Psychologische Botschaft: In der klassischen Astrologie gilt Saturn als Zuchtmeister und Übeltäter, als eine Macht, die es darauf abzusehen scheint, einem das Leben so schwer wie irgend möglich zu machen. Wie der Drache im Märchen verkörpert er Gefahr, Schrecken, Krankheit und Tod. Mittelalterliche Darstellungen zeigen Saturn als ein die Sense schwingendes und alles niedermähendes Skelett. Saturn kennt kein Erbarmen, keine Gnade. Er knallt den Menschen ihr Schicksal vor die Füße – und ihnen bleibt nicht anderes übrig, als es aufzunehmen und zu tragen. Das astrologische Zeichen Saturn besteht aus einem sich aus einem Halbkreis aufbauenden Kreuz. Die Esoterik betrachtet das Kreuz als Symbol für das Physische, das Materielle. Die vier Elemente bilden die „Balken“, der Halbkreis skizziert den Mond und steht für das Seelische. So kündet das Saturnzeichen vom „Kreuzweg“ allen irdischen Seins: Die Materie thront über dem Seelischen, wird zur Last, die man sein Lebtag lang nicht abwerfen kann.
Auch im griechischen Mythos tritt Saturn als Schreckensgestalt mit einem tragischen Karma auf: Uranos – der Himmel – senkt sich jede Nacht auf seine Gattin Gaia, die Erde, um mit ihr das Lager zu teilen: Gaia stöhnt unter der Last. Sie stiftet daher ihren Sohn Kronos/Saturn zu einer schrecklichen Tat an. Er soll ihren Gatten – seinen Vater – kastrieren, um sie von ihm zu befreien. Kronos/Saturn vollbringt es und lädt somit ein schreckliches Stigma auf sich. Nicht genug damit. Weil ihm ein Orakel prophezeit, eines seiner eigenen Kinder würde ihn dereinst ebenfalls töten, entschließt er sich, jedes seiner Kinder, das er mit seiner Schwester und Gemahlin Rhea zeugt, aus der Welt zu schaffen, indem er es verschlingt. Was für eine blutrünstige, griechische Tragödie! Aber wie immer im Mythos sind derartige Geschichten intuitive Offenbarungen tiefster Schichten des Unterbewusstseins und zugleich Weisheiten, inspiriert aus der Welt der Ideen. Saturn entsagt der Fürsorge und dem Schutz des Vaters und der Fürsorge durch eigene Kinder im Alter. Er wird alles in einer Person – er selbst, sein Vater und seine Kinder – und damit eine Art Supermann, der ohne jegliche Unterstützung, ohne Fremde Hilfe das Leben meistert. Mehr oder weniger perfekt „geklonte“ Supermänner sind alle, die diesen Kronos/Saturn als Herrscherplaneten ihrer Sonne, AC oder auch ihres Mondes haben (dann auf einer emotionalen Ebene). Sie trauen eigentlich nur sich selbst, ihrer Erfahrung, ihrem Können, ihren Entscheidungen. Sie sind die geborenen Einzelkämpfer, Individualisten, Solisten, Askesen und finden eigentlich niemanden so perfekt wie sich selbst. Selbst umgeben von noch so vielen Menschen leben sie doch wie Robinson Crusoe – mutterseelenallein auf einer einsamen Insel. Dass aus so einer Einstellung zum Leben etwas Großes werden muss, ergibt sich beinahe zwangsläufig.
Nun sind Kinder auch ein Symbol für Gefühl. Wenn Kronos/Saturn seine verschlingt, nimmt er sich auch all das, was Kinder ausmacht: Emotionalität, Spontaneität, nach Lust und Laune leben. Im Abschnitt über den Jungfrau-Mythos wurde die Formel „Verzichten = (ist gleich) Gewinnen und Wachsen“ erwähnt. Auch steinbockbetonten Menschen wohnt verstärkt die Fähigkeit inne, Triebaufschub in Kraft und Fülle zu verwandeln. Auf der Ebene des Steinbocks geht es allerdings nicht nur um Aufschub, sondern auch um Verzicht. Natürlich bedeutet das nicht, auf Essen und Trinken zu verzichten, auch nicht darum, keinen Sex mehr zu haben (obwohl sich unter den sogen. „frigiden Menschen“ tendenziell gerade viel steinbockbetonte Menschen finden). Es ist etwas anderes gemeint. Ähnlich dem Schüler im „Zen-Buddhismus“, so lässt es sich jetzt sagen, der den „Weg des Steinbocks“ geht. Er lernt nämlich, sich von sich selbst zu lösen, also Abstand zu sich selbst – seinen Gefühlen, Wünschen und Gedanken – zu nehmen. Man nennt es, „das Ego transformieren“. Letztendlich ist dies ein Weg, um Erleuchtung zu finden. Es geht bei diesen meditativen Yogaübungen darum, sich nicht mit seinen Gefühlen zu identifizieren. Wann immer also ein Gefühl hochsteigt, z.B. Wut über einen Autofahrer, der einem die Vorfahrt nimmt, oder über ein Kind, das etwas tut, was es nicht soll, nimmt man diese Emotionen zwar wahr, führt sie aber nicht aus, identifiziert sich auch nicht damit, sondern versucht sie wieder in sich hineinzunehmen, zu „schlucken“, wie es Saturn gemacht hat. Das ist relativ leicht bei einem angenehmen Gefühl, wird aber schwierig, wenn man z.B. Wut verspürt und noch schwieriger, wenn man Schmerzen hat. Der psychologische Leser wird jetzt wahrscheinlich protestieren und meinen, dass es ungesund sei, seinen Ärger „runterzuschlucken“. Ist es auch. Aber nicht, wenn man ihn zuerst voll wahrnimmt, anerkennt – ihn dann aber nicht aufgreift und vor allem ihn nicht als zu sich gehörig wahrnimmt. Im Zen-Buddhismus greift man in diesem Zusammenhang gern zum Bild eines wilden Pferdes, das heftige Gefühle darstellen soll: Dieses Pferd mit allem Respekt wahrzunehmen ist eine Sache. Sich auf es zu setzen und mit ihm davonzugaloppieren eine andere. Saturn, der Herrscher des Steinbockplaneten, wird oft auch mit einem reinen Bergkristall verglichen. Durch besondere physikalische Kräfte verdichten sich Wasser und wird im Laufe von Jahrmillionen zu einem leuchtenden Kristall. Etwas Ähnliches steuern steinbockbetonte Menschen für ihr Leben an, nämlich durch Verzicht innere Leuchtkraft zu erlangen. Auch der Leuchtturm ist ein passendes Symbol für steinbockbetonte Menschen. Sie sind sich ihrer selbst sicher und leben nach festen Prinzipien und Regeln. Durch ihre Klarheit gehen sie ihren Mitmenschen oft als Beispiel voran, geben ihnen Orientierung und stehen mit gutem Rat bereit. Sie beeindrucken vor allem durch ihre Standfestigkeit, weswegen sie in Notsituationen gern aufgesucht werden. Haftet man allerdings zu sehr an der Materie, wird man mit der Zeit hart und spröde. Weil man keine Perspektive jenseits seines Tuns weiß, neigt man bei Problemen, Rückschlägen und Verhinderungen zu Pessimismus bis hin zu Depression. Weil man glaubt, seine Bestimmung bestehe ausschließlich darin, sich gegen die Wogen des Lebens zu stemmen, um erfolgreich zu sein, nimmt mit fortschreitendem Alter der Körper eine verspannte Haltung ein. Vor allem Rücken und Knie sind davon betroffen. Wer hingegen sein Handeln auf der Erde als vorübergehend betrachtet und die Ausrichtung nach oben nicht verliert, erfährt durch kosmische Fürsorge den Trost, den er für sein hartes Leben braucht. Vor allem erlebt er sein Leben als getragen von Sinn und Bestimmung. Von solchen Menschen geht dann tatsächlich ein inneres Leuchten aus, unsichtbare Strahlen, die anderen Kraft und Sicherheit verleihen. Zum Bild des Leuchtturms passt mit einiger Fantasie eine Gestalt, die früher, bis weit ins Mittelalter hinein, für den Abschnitt Steinbock stand – der Ziegenfisch: Dieses Fabelwesen stellt eine Verbindung von zwei grundsätzlich entgegengesetzten Prinzipien dar, nämlich „Stein“ (den Oberleib einer Bergziege) und „Wasser“ (der Hinterleib eines Fisches). Es ist ein feiner Hinweis dafür, dass steinbockbetonte Menschen zwar Gefühle besitzen, sie aber verwandeln, „versteinern“ können.
Die Pubertät ist für diese Menschen eine Qual. „Ziege“ (Bedürfnislosigkeit) und „Fisch“ (Emotionalität und Bedürfnisbefriedigung) bekriegen sich gegenseitig. Nur langsam fügt sich das „Wasser“ dem „Stein“ und beide finden eine Möglichkeit, miteinander zu existieren. Für einen steinbockbetonten Erwachsenen gibt es kein wichtigeres Ziel, als sich zu verwirklichen und sich irgendwann als „leuchtender Turm“, der andere überragt (mit der Zeit Positionen erlangen), zu erheben. Diese Leben verlangt große Opfer und Verzicht. Eigentlich finden steinbockbetonte Menschen erst im Alter ihren Frieden. Jetzt können sie sich ihrer eigentlichen Bestimmung widmen, das Licht in ihrem Innen stärken, bis es mit dem kosmischen Licht verschmilzt. Das Alter ist auch deswegen ein Segen, weil ihr Herrscher Saturn als Planet des Alters, der Zeit gilt. Hinzu kommt, was dieser Archetyp mit dem der Jungfrau teilt, dass steinbockbetonte Menschen erst im Alter echte Zufriedenheit und Leichtigkeit erlangen. Das ist sozusagen die Gnade des Kosmos, sein Geschenk an die Menschen, die sich ihr Lebtag lang Lasten und Probleme aufhalsen und Lust und Vergnügen eher hintanstellen. Jetzt, im Alter, wird alles leicht. Die Unbeschwertheit vermischt sich mit Weisheit und schenkt glückliche Jahre. Wenn einmal der Tod kommt, kann man leichten Fußes hinübergehen in die andere Welt.
DER WASSERMANN-MYTHOS / URANUS
 
Ganymedes, der Mundschenk der Götter
 
Ganymedes war der schönste Jüngling unter den Sterblichen, und Zeus hatte sich in ihn verliebt. In der Gestalt eines Adlers entführte er ihn auf den Olymp und machte ihn zum Mundschenk der Götter. Sein Bild setzte er als das des Wasserträgers ans Himmelszelt.
 
Prometheus, der revolutionäre Kämpfer für die Evolution auf seinem Weg zum Licht
 
Viel deutlicher kommt die Wassermann-Symbolik noch im Mythos von Prometheus zum Tragen. Obwohl selbst ein Titan, stellt sich Prometheus im Kampf der Götter gegen die Titanen auf Zeus’ Seite. Da er hellsichtig ist, hat er den Ausgang des Kampfes nämlich vorausgesehen. Als Zeus einmal – vor Zorn außer sich – die Menschheit vernichten will, rettet sie nur noch Prometheus’ Einspruch. Auch in anderer Hinsicht setzt er sich ständig für das Wohl und vor allem Fortschritt der Sterblichen ein. So lehrt er sie, Schiffe und Häuser zu zimmern, Mathematik und die Metallurgie, das Hellsehen und vieles andere mehr. Als der menschliche Fortschritt Zeus’ schließlich zu weit geht und er ihnen das Feuer entzieht, ist es wiederum Prometheus der gegen diese Ungerechtigkeit aufbegehrt und die heilige Flamme für seine Schützlinge stiehlt. Die harte Strafe – er wird an einen kaukasischen Felsen geschmiedet und ein Geier frisst allmählich seine Leber – nimmt er dafür auf sich und wird erst durch Herakles’ Einsatz und das Opfer des Kentauren Cheiron, der seine Unsterblichkeit an Prometheus abtrat, erlöst.
 
Psychologische Botschaft: Der Planet Uranus hat seinen Namen von griechischen Gott Uranos, über den es im griechischen Mythos heißt: Am Anafang aller Dinge tauchte Gaia, die Mutter Erde, aus dem Chaos und gebar im Schlafe ihren Sohn Uranos. Er blickte von den Bergen liebevoll auf sie herab und sprühte fruchtbaren Regen über die geheimen Öffnungen ihres Leibes. Da gebar sie das Gras, die Blumen und die Bäume und auch die Tiere und Vögel, die dazugehörten. Der gleiche Regen brachte die Flüsse zum Fließen und füllte die Tiefen, so dass Seen und Meere entstanden.
Aber Uranos beließ es nicht bei seiner hübschen Schöpfungszeremonie. Er war, so der Mythos weiter, ein unersättlicher „Sexist“, ein älterer Mann, der weiter und immer fort mit seiner eignen Mutter, Gaia, kopulierte. Nachdem er die Natur erschaffen hatte, begann er menschliche Wesen zu ersinnen und zeugte mit seiner Mutter eine außergewöhnliche Schar Kinder. Erst waren es die Titanen, dann die Kyklopten und verschiedene andere Ungeheuer, mache mit hundert Armen und fünfzig Köpfen. Uranus gefielen aber seine eigenen Geschöpfe nicht. Deshalb stopfte er sie kurzerhand wieder zurück in Gaias Leib. Dieses instinktlose, verwerfliche Tun machte ihn zum Gott derer, die sich an allem vergreifen, was guten Ton, Sitte und Brauch betrifft. Selbst die Zehn Gebote sind ihnen nicht heilig. Wie ihr Herrscher, der gesetzlose Uranus, lieben sie zwar, sich zu vermehren, was für sie aber nicht automatisch bedeutet, sich ihrer Kinder in Liebe anzunehmen. Auch das sechste Gebot – Du sollst nicht ehebrechen – zu übertreten ist für sie keine Sünde, die Höllenqualen verdient. Und sogar das achte Gebot – Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren – ist für sie nicht unumstößlich. Sie gehen zuweilen so weit, sich auch vorstellen zu können, anderer Eltern Kind zu sein oder gar von Extraterrestrischen abzustammen. Uranus ist daher der Pate aller Künstler, Außenseiter, Aussteiger bis zu Kriminellen. Auch solche Menschen, die sich gern in anderen Rollen zeigen, Schauspieler, Karnevalsgecken, Homosexuelle (hat oft auch Krebsbetonung) und Transvestiten sind seine Kinder. Zu guter Letzt steht Uranus stets auf der Seite derer, die Bestehendes ändern oder gleich umzustürzen versuchen, Extremisten, Rebellen, Revolutionäre.
Damit jetzt nicht der Eindruck entsteht, wassermannbetonte Menschen (Sonne, AC, Mond) seien allesamt Schlawiner oder Extremisten, hat schnellstmöglich eine Richtigstellung zu erfolgen: 99 von 100 Menschen dieser Konstellation, also häufiger als bei jedem anderen Zeichen, sind höchstmoralisch, zuverlässig, treu, anhänglich, gut, höflich und beherrschen die allerbesten Umgangsformen. Aber sie folgen einer inneren Ethik. Was sie nicht ausstehen können, sind Gesetze und Regeln a priori. Sie hassen alles, was so ist, weil es so ist. An deren Stelle setzen sie Einsicht, Vernunft und Verstehen. Man könnte auch sagen, diese Menschen folgen einer Moral, die schon vor ihrer Geburt in ihr Hirn gepflanzt wurde. – Also doch extraterrestrische Wesen?
Nach dem Prinzip der Hierarchien und Regeln des Steinbocks können wir auf der Ebene des Wassermanns vom „mündigen Menschen“ sprechen, der Verantwortung für seine eigenen Regeln übernimmt. Mit Respekt sein Umfeld akzeptiert, wenn seine Integrität gewahrt bleibt, ganz nach dem Motto: Ich lasse dich tun, wenn du mich tun lässt. Durchkreuzt man den Willen eines wassermannbetonten Menschen, weckt man den Rebell in ihm.
Ein Individuum werden, einmalig sein, das ist die Wassermann-Botschaft. Einmalig sein, bedeutet aber nicht, etwas Besonderes zu sein. Das Ego hat längst ausgespielt auf der Ebene des geistig inspirativen Wassermanns. Einmalig sein ist kein Privileg, sondern in jedem angelegt. Es muss nur entfaltet werden. Es geht auf wie eine Rose. Einmalig sein heißt, bei sich zu sein, bei seinem eigentlichen Sein. So steht man auch nicht über den anderen, sondern ist eng verbunden mit ihnen und voller Mitgefühlt (Wassermann – Prinzip der Freundschaft und gesellschaftlichen Ideale). Dann braucht es keine Dogmen und Gebote, das Zusammenleben regelt sich von selbst.
Zeigen sich diese Wassermannindividuen doch als „Outsider“, könnte man sie auf den ersten Blick zumindest zum Teil als asozial bezeichnen, sind aber bei einer tiefer gehenden Analyse jedoch höchst produktiv – durchaus in einem gesellschaftlichen Sinne. Sie verkörpern das „Quantum Chaos (ebensooft Genialität)“ aus dem immer wieder neue Welten entstehen (oftmals im Form radikaler Veränderungen). Wassermann betonte Menschen sind für ein lebendiges Miteinander so notwendig wie Gott Uranus für die Welt. Seiner ununterbrochenen Kopulation mit Gaia, der Erdenmutter, ist doch all die Schönheit unserer Erde zu verdanken. Er zeugte, wie wir gehört haben, die Berge, Seen, Bäume und Blumen. Und ob er sich tatsächlich so miserabel gegenüber gelegentlichen Missgeburten verhalten hat, ist fraglich. Jedenfalls existieren hier unterschiedliche Versionen des Uranus-Mythos. Klar ist allerdings auch, dass der, der seinen Uranus zu exzessiv lebt, früher oder später „kastriert“ wird. So geschah es nämlich dem fidelen Gott: Gaia rief – wie bereits beim Saturn-Mythos geschildert – ihren Sohn Kronos/Saturn um Hilfe, der seinen Vater kastrierte.
Uraniker erfüllen eine höhere Aufgabe, weg von der Vergangenheit, so manchen sicheren Pfad verlassend, um stets eine neue Türe in die Freiheit zu öffnen. Man hält die Welt am Leben. Man ist schöpferisch. Man wirkt gegen Erstarrung. Man ist dem Leben näher. Ein Quantum Anders-Sein, Verrückt-Sein braucht das Leben eines wassermannbetonten Menschen – oder dieses Quantum macht sich selbständig – auch gegen den Willen des Ich. Der letzte große Quantensprung ist der Tod. Er ist vollendet. Denn das, was jetzt ist, ist das genau Gegenteil von dem, was war.
 
 
DER FISCHE-MYTHOS / NEPTUN
 
Dionysos, der Erlöser auf seinem Leidensweg
 
Dionysos, aus einem heimlichen Verhältnis des Zeus mit der Mondgöttin Selene entstanden, war schon vor seiner Geburt von Hera und ihrer Eifersucht bedroht, und tatsächlich starb seine Mutter lange vor seiner Geburt. Dionysos (Neptun) wurde von Hermes in Zeus’ eignen Schenkel eingenäht und hier im Verborgenen ausgetragen (alter Herrscher des Fischezeichens: Jupiter), woher auch sein Beiname „der Zweimalgeborene“ (Doppelzeichen wie Zwillinge) rührt. Kaum herangewachsen zu einem weichen Jüngling mit feinen Zügen, bedroht Hera ihn abermals und lässt ihn von den Titanen in Stücke reißen. Diesmal rettet ihn Rhea und fügt ihn zu einem neunen, gewandelten Gott wieder zusammen. Als Mädchen verkleidet er sich zu einem sehr weiblichen Gott, dem auch fast nur Frauen folgen. Von Hera gejagt, ist sein Leben unstet. Dionysos (was der „Leidende“ bedeutet) verbreitet den Weinbau überall wo er hinkommt und wird zum Gott der Orgien und der religiösen Ekstase. (Das Motiv des zerstückelten Gottessohnes finden wir ähnlich in der ägyptischen Mythologie, wo Horus der erleidende Erlöser ist.)
Auch der Leidensweg Christi ist solch ein typischer Fische-Weg. Christus hat mit ihm das Fische-Zeitalter eingeleitet (der Fisch ist auch ein Christensymbol), unser jetziges Zeitalter, das nun gerade (seit dem Jahre 2000) ins Wassermann-Zeitalter überwechselt.
 
Psychologische Botschaft: Der Abschnitte Fische ist der letzte im Tierkreis-Mythos. Gemäß astrologischer Systematik, wonach jeder folgende Abschnitt auf den vorhergehenden aufbaut, ihn beinhaltet und weiterführt, ist demnach im zwölften Zeichen, den Fischen, alles, was zuvor war, enthalten. Es sollte daher eigentlich „Super-Menschen“ hervorbringen, prall gefüllt mit den Gaben sämtlicher Abschnitte davor. (Jesus betrachtend, der das Fischezeitalter einläutete, ist es ja auch so – zudem hatte er alle Planeten in ihren eigenen Zeichen, astrologisch gesehen die edelsten Charakterzüge, die ein Mensch haben kann). Müssen fischebetonte Menschen (Sonne, AC, Mond) nicht die Impuslivität des Widders bekommen? Vom Stier die Sinnlichkeit? Von den Zwillingen die Vielseitigkeit? Vom Krebs das tiefe Fühlen? Vom Löwen die Selbstgewissheit? Von der Jungfrau die Gabe der Vorsehung? Von der Waage die Fähigkeit zur wahrhaften Liebe? Vom Skorpion Unerschrockenheit? Vom Schützen die Gnade, das Leben zu lenken? Vom Steinbock die Fähigkeit zur Selbstbeherrschung? Vom Wassermann schließlich die Freiheit? – Und wie ist es tatsächlich? Sie haben eigentlich nichts von alledem!
Das ist eines der großen Rätsel der Astrologie, dass der letzte, der „Fisch“, die Summe und Quintessenz von allem, was war, nichts von all dem hat und ganz anders ist. Entsprechend sind fischebetonte Menschen auch nicht festlegbar, wie nicht von dieser Welt. So ähnlich wurden auch die wassermannbetonten Menschen charakterisiert, dass sie „zwischen die Welten“ seien und nirgends richtig dazugehören. Aber das Fischeprinzip entlässt einen noch weiter. Man ist „jenseits“ – wie nicht richtig da. Heißt nicht, das Menschen mit Fischekonstellation nicht ebenso täglich acht Stunden arbeiten würden, in der Werkstatt, im Büro, in der Schule, in einer Krankenstation – natürlich können sie all dies und noch viel mehr. Sie sind sehr praktisch, sehr intelligent, sehr mitfühlend. Aber sie tun, was sie tun, nie hundertprozentig überzeugt, und sie sind nicht identifiziert mit dem, was sie sind und was sie tun. So löst sich auch der Widerspruch von weiter oben: Diese Menschen haben und können alles, was in den elf Zeichen und Mythose zuvor erwirkt wurde – und lassen es zugleich hinter sich. So als würden sie ein Buch in die Hand nehmen, wieder weglegen und sagen: „Kenne ich schon!“
Im griechischen Mythos war Dionysos/Neputn, der Herrscher des Fischezeichens, der Gott der Meere, unheimlich, gestaltlos, geheimnisvoll, tief, dunkel, unergründlich wie sein Zuhause selbst, das Meer. Wasser gilt als Symbol für die Seele. Es ist nährend, erschaffend, tröstend, aber auch ängstigend und verschlingend. Die drei Wasserplaneten sind der Mond als Herrscher des Krebses, Pluto, der zum Skorpion gehört und Neptun, der die Fische begleitet. Von allen drei Gestirnen spinnt wiederum Neptun seine Fäden am weitesten. Wie das unendliche Meer lädt er ein, alles Bekannte zu verlassen, hinüberzugleiten in die Anderswelt, in die Welt des Spirituellen und Göttlichen. Man lasse einen Tropfen Wasser ins Meer fallen. Was geschieht? Irgendwann ist der Tropfen im gesamten Meer – er ist überall. Aber ist dann nicht auch das ganze Meer in ihm, in diesem einen Tropfen?
Wir sind also wieder beim „All-Einen“ und der semantischen Verwandtschaft mit dem Wort „Alleinsein“. Darüber wurde im Zusammenhang mit der Erörterung des Zwillingsmythos geschrieben. „Fische“ und „Zwillinge“ sind die beiden Doppelzeichen im Tierkreis, beide Zeichen sind zwiespältiger Natur und suchen die Vereinigung und Versöhnung. Bei den Zwillingen ging es um die Versöhnung zwischen dem sterblichen, irdischen Teil (Kastor) und dem spirituellen, unsterblichen (Pollux). Bei den Fischen ist das Ziel ganz ähnlich, aber das „wie“ ist anders. Ein zwillingsbetonter Mensch sucht ein Du (seinen Zwillingsbruder), der ihn erlösen kann, und stellt schlussendlich fest, dass er schon immer in ihm ist. Fischebetonte Menschen versuchen ihr Lebtag lang, richtig auf der Erde zu landen, quälen und ackern sich ab, versuchen mit allen Mitteln, sich zu ändern, bis ihnen die Erleuchtung kommt, dass es so, wie es ist, genau richtig ist. Das Sternzeichen Fische am Himmel besteht aus zwei Fischen, die in unterschiedliche Richtung „schwimmen“. Der eine treibt mit der Ekliptik, es ließe sich auch sagen, mit dem Gang der Dinge, der Schöpfung. Er ist der göttliche Fisch. Man könnte ihn Pollux taufen. Der andere stemmt sich gegen die Strömung und damit auch gegen die Schöpfung. Daher wäre Kastor der passende Name.
Sich gegen die Strömung zu stemmen ist auch ein Bild dafür, sich in seinem irdischen Leben zu verwirklichen, auf der Erde einen Halt zu finden, nicht davonzutreiben mit dem Schöpfungsstrom. Aber von ihm geht, wie bei jedem richtigen Fluss, ein gewaltiger Sog aus. Sich ihm hinzugeben ist mit tiefer innerer Befriedigung und Lust verbunden. Zugleich verliert man so aber auch den Boden unter seinen Füßen – und das macht Angst. Daher stemmen sich fischebetonte Menschen gegen die Strömung, greifen nach allem, was ihnen einen Halt bietet: sei es ihre Arbeit, der Partner, die Freunde, das soziale Engagement oder was sonst noch ein normales Leben ausmacht. Aber der andere Fisch, Pollux, holt sie immer wieder ein. Dann lassen sie sich treiben, schalten ab – und sind nicht erreichbar, nicht ansprechbar, verschwunden (findet Ausdruck in einer spirituellen Haltung, oder defizitär in „Weltflucht“ in Form von Drogen, häufig Alkohol (auch Krebsthema), oder auch geistige Weltflucht in Form von Sektierertum anstatt der Suche nach Lehre, Inspiration die infolge der angeregten Intuition zur Erkenntnis führt). Menschen mit starken Fischekonstellationen treten leichter hinüber. Sie sind begnadete Individuen, Mystiker, Träumer, verwandt mit dem Wasserelement, dem Reich der Seele. Aber sie bezahlen dafür ihren „Eintrittspreis“ und der lautet: Sie haben es schwer, in der realen Welt Fuß zu fassen. Sozusagen haben sie einen Fuß immer im Himmel und einen auf Erde, und sehen sich immer wieder vor die Frage gestellt, welcher welchem folgen soll. Sie könnten den einen ganz von der Erde nehmen und vorzeitig „abheben“ bzw. Weltflucht begehen, oder sich wohl auf jenen Fuß im Himmel besinnen und davon immer etwas übertragen auf den, der auf Erden steht und damit himmlisches auf Erden verbreiten – vielen fischebetonten Menschen gelingt das. Es sind jene Menschen, die sich persönlich zurücknehmen für das Wohl anderer bzw. des Großen und Ganzen, dabei im dienenden und nicht im aufopfernden Sinne Erfüllung finden, weil sie erfahren, dass für sie und ihre Bedürfniserfüllung im himmlischen Sinne gesorgt wird, indem sich der Fluss des Gebens und der Hingabe als Rückfluss mit dem des Empfangens und der Erfüllung vereint. In diesem Sinne könnte man auch von der „himmlischen Liebe“ sprechen. Venus (der Planet der „persönlichen Liebe“) findet in Neptun ihre Erhöhnung (der Planet der „kollektiven Liebe“).
Im konkreten Leben ist es natürlich wichtig, dass jener irdische Fischeanteil Kastors einschätzt, wo es sinn- und nutzbringend ist, seine Energien und Hingabe zu investieren. Denn ohne Gegenfluss ernüchtert irgendwann der diffuse, himmlische Fischeanteil Pollux, angeregt durch seine Kastorseite, und kann sich dann als Opfer in einem Bereich wiederfinden. Auch die umgekehrte Version ist denkbar, wenn z.B. der Kastor-Fischeanteil zu stark ausgeprägt ist, und sich dies dann in irdische „Überfürsorge“ und damit Bevormundung und Dominanz manifestiert.
Die Menschheit wurde wegen des Sündenfalls aus dem Paradies vertrieben, ausgeschlossen durch eine Mauer mit einem Tor, wovor ein Engel wacht. In Wirklichkeit befinden wir uns aber alle noch im Garten Eden. Wir können nur nicht „richtig sehen“. Fischebetonte Menschen haben dabei noch die besten Augen. Denn in keinem anderen Zeichen ist das Gespür so stark dafür angelegt, dass Objekt und Subjekt, ich und du, nicht getrennt, sondern eins sind. Die metaphysische Grundlage des Mitgefühls liegt letztlich darin, dass wir im Grunde alle eins sind. Wir selbst sind es also, die im anderen leiden. Und wir helfen uns daher selbst, wenn wir praktisches Mitleid üben. Es geht also in diesem letzten Abschnitt um das Prinzip des Mitgefühls. Fischebetonten Menschen, denen es gelingt diesen Weg des Friedens zu gehen, werden dann auch irgendwann auf dem Strom des Lebens selig hinübertreiben in die Anderswelt.
 
 
So könnte man die Worte von Marcus Tullius Cicero (106 – 43 v. Chr. – römischer Redner) als Fischebotschaft an alle Zeichen verstehen:
 
 
                   „Non nobis solum nati sumus.“
                           
 
           „Wir sind nicht für uns allein geboren.“